Der Waldläufer
mehr mit der Zukunft als mit dem blutigen Gemälde der vergangenen Kämpfe beschäftigt. Der Kanadier hatte leicht aus den halben Bekenntnissen Fabians über seine verschmähte Liebe und mittels des Namens der Tochter des Hacenderos die zerstreuten Angaben sammeln und daraus zu der Gewißheit gelangen können, daß Rosarita das junge Mädchen sei, das anscheinend hoffnungslos geliebt wurde; eine Liebe, die darum nicht weniger in ihrer ganzen Glut fortbestand.
Immer schweigend durchwateten die beiden Wanderer die Furt des Red River und schritten auf dem durch das Gras gebahnten Fußpfad weiter, der nicht weit vom Büffelsee aufhörte. Es war derselbe Fußpfad, dem wenige Stunden zuvor Doña Rosarita folgte, indem sie auch an Fabian dachte und vor dem belebenden, verschwiegenen Morgenwind ihre süßen Träume von der Zukunft und die geheimsten Gedanken ihres Herzens ausbreitete.
Der auf dem rechten Ufer des Flusses, wo sich jetzt Fabian und Bois-Rosé befanden, angefachte Brand war einige Schritt von hier – ohne Zweifel durch einen entgegengesetzten Wind zu seinem Ursprung zurückgedrängt – erloschen, und zuweilen senkten sich noch schwarze Rauchwolken auf die beiden Wanderer nieder.
»Laß uns schneller gehen, Fabian«, sagte endlich der Kanadier; »dieser Rauch erinnert mich zu sehr an die schreckliche Angst, die ich deinethalben empfunden habe, als ich glauben konnte, daß der Brand der Ebene auch dich vielleicht mit seinen Flammen umhüllen könnte.«
Fabian wollte gar nichts Besseres, als seinen Marsch beschleunigen, und nachdem die Wanderer einige Minuten mit raschen Schritten durch den Wald gegangen waren, führte sie das Bellen Ohos auf den richtigen Weg zum Büffelsee.
»Hörst du, Fabian?« rief Bois-Rosé. »Das ist die Stimme deines Befreiers! Ohne den Instinkt dieses edlen Tieres wären wir vielleicht zu spät gekommen; er hat die Öffnung und den Durchgang bis in den Mittelpunkt der Lichtung entdeckt. Dieses Willkommen eines treuen Freundes ist eine glückliche Vorbedeutung, mein Sohn.«
Fabian nahm diese Vorbedeutung zitternd vor Aufregung an; denn ein Vorhang von Laub, ein schmaler Gürtel von Bäumen war jetzt die einzige Schranke zwischen Rosarita und ihm.
»Wer da?« rief Encinas' rauhe Stimme.
»Ein Freund!« antwortete Bois-Rosé.
Einige Minuten nachher traten die beiden Wanderer in den Waldsaum am Büffelsee. Encinas, noch ein anderer Büffeljäger – der einzige Gefährte, der ihm geblieben war – und die Dogge befanden sich hier; sonst war die Lichtung verlassen. Das himmelblaue Zelt Rosaritas, das ihres Vaters und des Senators spiegelten sich nicht mehr im Teich. Herrschaft und Diener – alle hatten eiligst eine Gegend verlassen, die ihnen so verderbenbringend geworden war. Selbst die Schranken des Corrals standen offen, und die wilden Pferde waren der Freiheit der Wälder zurückgegeben worden.
Fabian mußte sich mit brechendem Herzen gegen einen Baum lehnen, um die Schwäche seiner zitternden Knie zu verbergen, und Bois-Rosé wich zum erstenmal seinem Blick aus. Wir wollen hier nicht den Versuch machen, auf dem Grund der Seele des Waldläufers zu lesen; vielleicht würden wir darin eine geheime Freude finden, die er, wenn er sie empfand, sich lebhaft vorwerfen mußte.
Der herzliche Empfang von seiten des Büffeljägers gab Fabian Zeit, die Kraft seines Willens wiederzugewinnen, ohne daß jedoch die Blässe seiner Wangen ebenso schnell verschwunden wäre. Bois-Rosé nahm es statt seiner auf sich, den Büffeljäger über die plötzliche Abreise des Hacenderos und seines Gefolges zu befragen, obgleich deren Gründe leicht zu erraten waren.
»Als ich mit zwei oder drei Vaqueros«, antwortete Encinas, »auf inständiges Bitten Don Agustins ihn und seine Tochter bis hierher begleitet hatte, blieb er kaum lange genug, um Doña Rosarita Zeit zu lassen, sich ein wenig zu erholen. Die Nähe der Indianer flößte ihm einen so lebhaften Schrecken ein, daß er aus Furcht, seine Tochter neuen Gefahren auszusetzen, selbst ein Pferd für sie sattelte, sie so bequem wie möglich auf einen Männersattel setzte, aus dem wir mit Stricken eine Art Frauensitz gemacht hatten, und vom Senator und von seinen drei Dienern begleitet im Galopp den Weg zum Presidio einschlug. Sie müssen jetzt in dessen Nähe und außer aller Gefahr sein. Dort will er die Vaqueros erwarten, die den Indianern entkommen sind. Wie ich haben diese armen Teufel die Hälfte ihrer Kameraden verloren«, schloß Encinas
Weitere Kostenlose Bücher