Der Waldläufer
nicht in Erfüllung ging. Wir glauben lieber, daß der Engländer, da er so wenig sprach, noch weniger schrieb; und hätte er auch geschrieben, so ist doch der Postdienst in der Steppe noch nicht vollständig geordnet.
Der Zustand des jungen Komantschen, der am vorhergehenden Abend schon beruhigender gewesen war, hatte sich gegen Morgen noch gebessert. Als der Kanadier den ersten auf die Wunde gelegten Verband abnahm, war deren Aussehen zufriedenstellend genug, daß das Auge in Ermangelung einer Sonde daraus schließen konnte, daß kein edler Teil verletzt sei, und die allmähliche Rückkehr der Kräfte des Indianers bestätigte diese Voraussetzung. Erst am folgenden Tag jedoch durfte man hoffen, ihn zu Wasser zum Dorf der Komantschen bringen zu können, das an den Ufern des Flusses in Texas lag.
Zu diesem Zweck gingen die drei Krieger Rayon-Brûlants suchend den Strom entlang. Das Kanu aus Büffelhaut, das sie hergetragen hatte, war von der Strömung mit fortgerissen worden und verschwunden; aber die viel schwerere indianische Piroge war im Schilf hängengeblieben, und die Komantschen bedauerten ihr gebrechliches Fahrzeug nicht, da sie dafür die feste und schnelle Barke eingetauscht hatten. Noch blieb der wichtigste Punkt zu bestimmen: Welche Richtung sollten die drei Jäger einschlagen? Sollten sie den verwundeten Krieger, dem sie für so große Dienste verpflichtet waren, zu seinem Dorf geleiten? Hatte die letzte, schreckliche Prüfung, die sie eben bestanden hatten, den Entschluß Fabians geändert? Sollte der Kanadier seinem Sohn davon abraten, dieses Leben voll steter Gefahren – ein Leben, so reich an Aufregungen jeder Art – mit ihm fortzusetzen, oder ihm das Anerbieten machen, ein ruhiges Dasein mit ihm zu teilen? Über diesen ernsten, feierlichen Gegenstand berieten sich Bois-Rosé und der spanische Jäger in geheimer Sitzung, als Fabian gerade abwesend war.
»Wir müssen die Entscheidung des Jungen selbst abwarten.«
Damit schloß der Waldläufer, und dieser Tag ging noch hin, ohne daß Fabian hätte erraten lassen, wofür er sich entschied. Der Grund war ganz einfach der, daß er entschlossen war, sich aus der Gegend zu entfernen, die ihn zu lebhaft an Rosarita erinnerte, und darum beschloß, an dem Entschluß festzuhalten, den sie gemeinschaftlich im Val d'Or gefaßt hatten: nämlich ihr abenteuerndes Leben als Waldläufer fortzusetzen.
Am anderen Morgen ganz früh, als man eben Rayon-Brûlant in die Piroge getragen hatte und die Indianer bereit waren, abzustoßen, blieben Bois-Rosé und Pepe regungslos am Ufer stehen.
»Nun, wie denn, mein Vater?« rief Fabian erstaunt. »Wollen wir denn so denjenigen verlassen, der sein Leben für die Sache der Weißen gewagt hat? Wollen wir ihn nicht zu seinem Dorf geleiten?«
»Willst du es, mein Sohn?« sagte der Kanadier.
»Willst du es denn nicht auch?« fragte Fabian.
»Ohne Zweifel, aber nachher ...«
»Das Nachher gehört uns nicht.« Dann neigte sich Fabian an das Ohr Bois-Rosés und fügte hinzu: »Ich mache gemeinschaftliche Sache mit diesem jungen, edlen Krieger; wir werden beide von der Blume des Sees sprechen.«
Fabian hatte Rayon-Brûlant den Namen der Blume des Sees murmeln hören und hatte erraten, daß es nur Rosarita sein könne, die ein anderer ebenso wie er vergessen mußte.
Alle drei setzten sich in die Piroge an die Seite der Indianer. Encinas und sein Gefährte nahmen Abschied von ihnen und folgten lange mit den Augen dem Fahrzeug, das den Red River hinunterflog. Der Schattenriß Fabians, der traurig hinten im Fahrzeug saß, verwischte sich nach und nach ebenso wie die gigantische Gestalt des Kanadiers; dann war in der Ferne kaum noch ein kleiner Punkt sichtbar.
Einige Augenblicke darauf verbargen die von einem Strahl der Sonne gefärbten Nebel des Flusses den Augen der Büffeljäger die drei Abenteurer gänzlich, die sich noch einmal ohne zu zittern den Launen eines unbekannten Schicksals anvertrauten.
Die beiden Jäger entfernten sich nun ebenfalls, überließen die Lichtung den Toten, von denen sie bedeckt war, und den Biberteich den Bibern, die wieder von ihm Besitz nehmen würden.
77 Der Mann mit dem roten Taschentuch
Sechs Monate sind verflossen, seitdem die drei Jäger, ohne daß sie die Schätze des Val d'Or einer Erinnerung gewürdigt hätten, in die Steppen von Texas gegangen waren, indem sie den Red River hinabfuhren. Die Regenzeit war der trockenen Jahreszeit gefolgt, und der Sommer kehrte wieder mit seiner
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