Der Waldläufer
glühenden Hitze, ohne daß man etwas von ihrem Schicksal oder von dem Erfolg der von Don Estévan de Arechiza befehligten Expedition wußte.
Diaz war tot und hatte die Kenntnis von dem wunderbaren Tal mit ins Grab genommen, und Gayferos war seinen drei Befreiern gefolgt. Was war aus diesen unerschrockenen Jägern geworden, die Mühseligkeiten, Entbehrungen und Gefahren gesucht hatten, statt reich und mächtig, wie sie es hätten sein können, in das zivilisierte Leben zurückzukehren? Hatte die Steppe diese drei edlen Männer verschlungen, wie es mit so vielen anderen schon der Fall gewesen war? Hatte Fabian gleich jenen Ordensbrüdern, die im Schweigen des Klosters Vergessenheit der Täuschungen dieser Welt suchen, in der erhabenen Einsamkeit diejenige vergessen, die ihn liebte und ihn immer noch erwartete, ohne daß er es wußte?
Das Folgende wird diese Fragen beantworten. An einem heißen Nachmittag verfolgten zwei bis an die Zähne bewaffnete Männer zu Pferd die einsame Straße, die von den Grenzen des Staates Sonora zum Presidio von Tubac führt. Ihr Anzug, die plumpe Ausrüstung ihrer Pferde und deren Schönheit boten zusammen einen auffallenden Gegensatz dar und schienen zwei untergeordnete Boten zu bezeichnen, die von irgendeinem reichen Grundeigentümer abgeschickt waren, um Nachrichten zu überbringen oder zu holen.
Der erste war vom Kopf bis zu den Füßen in Leder gekleidet wie die Vaqueros der großen Haciendas; der andere, schwarz und bärtig wie ein Mohr, obgleich weniger einfach gekleidet als sein Gefährte, schien doch nicht von viel höherem Rang zu sein. Während einer Reise von einigen Tagen – die weißen Häuser des Presidios blitzten schon aus der Ferne – hatten die beiden Reiter wahrscheinlich alle Gegenstände der Unterhaltung erschöpft, denn sie trabten schweigend nebeneinander her.
Die geringe Vegetation, mit der sich die Ebenen, die sie durchschritten, nach dem Regen des Winters geschmückt hatten, wurde abermals gelb unter den Strahlen der Sonne, und unter dem welken Gras zerriß der Boden vor dem glühenden Hauch des Südwinds. Das Laub der Bäume neigte sich durstig auf den glühenden Sand wie die Weiden an den Ufern der Flüsse.
Die beiden Reiter kamen an den Eingang des Presidios, als die Glocke der Kirche das Abendangelus läutete.
Tubac war damals noch ein Dorf mit zwei Querstraßen, mit Häusern, aus gestampfter Erde gebaut, die nur wenige Fenster auf der vorderen Seite besaßen, wie es an den Orten, die plötzlichen Einfällen der Indianer ausgesetzt sind, gewöhnlich der Fall ist. Starke Schutzgatter aus beweglichen Baumstämmen verteidigten die vier Zugänge zum Presidio. Ein Feldstück lag hinter jeder dieser starken Barrikaden auf seiner Lafette.
Ehe wir den eben Ankommenden in das Presidio folgen, müssen wir von einem Vorfall sprechen, der, so unbedeutend er auch in der Wirklichkeit war, doch darum nicht weniger mitten in einem einsamen Dorf wie Tubac die Bedeutung eines Ereignisses hatte. Seit vierzehn Tagen ungefähr hatte eine geheimnisvolle Person – und zwar dadurch geheimnisvoll, weil sie den Bewohnern des Presidios unbekannt war – häufige, aber kurze Besuche im Ort gemacht. Es war ein Mann von ungefähr vierzig Jahren, mager, trocken und nervig, dessen Antlitz von vielen Gefahren zeugte, denen er getrotzt hatte, dessen Zunge jedoch ebenso schweigsam wie sein Gesicht ausdrucksvoll war. Er antwortete wenig; dagegen aber fragte er viel und schien besonders gern erfahren zu wollen, was sich in der Hacienda del Venado zutrüge. Einige Bewohner des Presidios kannten den reichen Grundeigentümer wohl dem Ruf nach, aber wenige unter ihnen oder, um uns richtiger auszudrücken, niemand kannte Don Agustin Pena gründlich genug, um die Fragen des Unbekannten befriedigend zu beantworten.
Jedermann in Tubac erinnerte sich der Expedition der Goldsucher, die vom Presidio aus vor sechs Monaten aufgebrochen waren, und einigen unbestimmten Antworten des Unbekannten nach vermutete man, daß er darüber mehr wisse, als er sagen wollte. Er war nach seiner Behauptung in den Steppen des Apachengebietes der Schar unter den Befehlen Don Estevans in einem sehr kritischen Augenblick begegnet, und er hatte einige Gründe, anzunehmen, daß sie mit den Indianern einen letzten, schrecklichen Kampf bestanden haben müßten, über dessen Erfolg er nichts Gutes prophezeite. Schließlich hatte er am vorhergehenden Tag gefragt, welchen Weg er einschlagen müsse, um sich zu Don Agustin
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