Der Waldläufer
»Gut«, sagte er; »denn um die Wahrheit zu sagen, das ist einer mehr, als wir zu glauben wagten, wenn nämlich dieser Señor, der behauptet, daß nicht alle Goldsucher tot sind, recht hat – wie ich hoffe.«
»Glaubt Ihr denn etwa«, sagte einer von denen, die anderer Meinung waren, um seine Ansicht zu unterstützen, »daß der Mann mit dem roten Taschentuch keiner von denen ist, die wir vor sechs Monaten haben aufbrechen sehen? Ich möchte es aufs Kreuz und aufs Evangelium beschwören!«
»Nicht doch!« erwiderte der andere. »Dieser Mann hat mit seinem Fuß vor diesem Tag niemals das Presidio betreten.«
»Jedenfalls«, unterbrach sie ein dritter, »ist der Mann mit dem roten Taschentuch dabei interessiert, die Abgesandten Don Agustin Peñas wohl zu beachten, da er sich so oft nach ihm erkundigt hat. Der Unbekannte wird sich gegen diese Reiter ohne Zweifel deutlicher erklären als gegen uns.«
»Das ist vortrefflich!« erwiderte der Haushofmeister. »Ihr werdet es wohl wissen, und ich kann es Euch, ohne unbescheiden zu sein, sagen, daß Don Agustin Peña, den Gott erhalten möge, der vertraute Freund von Señor Arechiza war und daß er seit sechs Monaten keine Nachrichten von ihm erhalten hat – was sehr natürlich sein würde, wenn er von den Indianern mit den anderen niedergemacht worden ist. Nun erwartet er jedoch seine Rückkehr, um seine Tochter Doña Rosarita, eine schöne, liebenswürdige junge Person, mit dem Senator Don Vicente Tragaduros zu vermählen.
Die Monate sind verflossen, und da die Hacienda nicht an der Heerstraße von Arizpe nach Tubac liegt und wir niemand über diese bedauernswerte Expedition fragen konnten, so hat mich endlich mein Herr abgesandt, um Nachrichten im Presidio zu erfahren. Wenn er die Gewißheit hat, daß Don Estévan nicht wieder zurückkehren kann – da die jungen Mädchen nicht immer Senatoren tief in den Steppen finden, und da die Senatoren nicht immer, sooft sie wollen, eine Mitgift von einer Million Piastern erhalten ...«
»Caramba! Das ist eine schöne Summe!«
»Ganz recht«, erwiderte der Haushofmeister. »Die beabsichtigte Vermählung wird zur gegenseitigen Zufriedenheit beider Teile stattfinden. Das ist der Grund, warum wir nach Tubac kommen. Wenn ihr mir also denjenigen herbringen könnt, der nach Eurer Meinung der einzige Überlebende von der Expedition ist, so werden wir vielleicht von ihm erfahren, was uns alle zu wissen interessiert.«
Die Unterhaltung war bei diesem Punkt angelangt, als in einiger Entfernung von dem Haus, wo sie stattfand, ein Mann mit gesenktem Haupt vorüberging.
»Halt«, sagte einer der dienstfertigen Zuhörer und zeigte mit dem Finger auf den in Rede stehenden Mann; »da geht gerade Euer einziger Überlebender.«
»In der Tat; das ist ein Mann, dessen Haltung sehr geheimnisvoll ist. Seit einigen Tagen tut er weiter nichts als von einem Ort zum anderen zu gehen, ohne jemand Zweck und Beweggrund seiner Gänge anzuvertrauen. Wenn es Euch recht ist, so wollen wir ihn rufen. Heda, Freund!« rief einer von den Neugierigen. »Kommt her; hier ist ein Kavalier, der Euch zu sehen und zu sprechen wünscht.«
Der geheimnisvolle Fremde näherte sich.
»Señor Kavalier«, sagte der Haushofmeister höflich zu ihm, »nicht eitle Neugier treibt mich an, Euch zu befragen, sondern die Sorge, die meinem Herrn, der mich hersendet, das Verschwinden eines Freundes einflößt, dessen Tod er beweinen zu müssen fürchtet. Was wißt Ihr von Don Estévan de Arechiza?«
»Gar vieles. Doch wenn es Euch gefällig ist – wie heißt der Herr, von dem Ihr sprecht?«
»Don Agustin Peña, Eigentümer der Hacienda del Venado.«
Das Gesicht des Unbekannten verriet einen Blitz der Freude. »Ich werde Don Agustin«, sagte er, »alle Auskunft geben, die er wünschen wird. Wie viele Tagesmärsche ist die Hacienda von hier entfernt?«
»Drei Tagereisen, aber mit einem guten Pferd.«
»Ich habe ein ausgezeichnetes; und wenn Ihr bis morgen abend auf mich warten könnt, so werde ich Euch begleiten und Don Agustin persönlich alle Einzelheiten erzählen.«
»Abgemacht«, antwortete der Haushofmeister.
»Ganz prächtig«, sagte der Mann mit dem roten Taschentuch eifrig. »Also morgen um diese Stunde; dann werden wir auch in der Kühle der Nacht reisen.«
Er entfernte sich, während der Haushofmeister ausrief: »Caramba! Ich muß gestehen, daß man nicht gefälliger sein kann als dieser Kavalier mit dem roten Taschentuch!«
Dieses Übereinkommen befriedigte
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