Der Waldläufer
Gottes verdammt, und das Gottesurteil ist in der Steppe vollzogen worden. Don Estévan de Arechiza wird nie mehr zu seinen Freunden zurückkehren.‹
»Armer Don Estévan!« rief der Hacendero aus.
»Und Ihr habt die Namen dieser so liebreichen, so edelmütigen und so tapferen Männer nicht erfahren können?« fragte Rosarita.
»Nicht für den Augenblick«, erwiderte Gayferos. »Nur kam es mir sonderbar vor, daß der jüngste unter den drei Jägern zu mir von Don Estévan, Diaz, Oroche und Baraja gesprochen hatte, als kenne er sie genau.«
Ein ängstliches Beben überlief unmerklich den Körper Rosaritas; ihr Busen hob sich, ihre Wangen wurden purpurrot, dann wurden sie wieder bleich wie die Blume der Datura; aber ihr Mund blieb stumm.
»Ich beendige nun meine Erzählung«, fuhr Gayferos fort. »Nachdem wir den Sohn des tapferen Kriegers den Apachen entrissen hatten, wandten wir uns zu den Prärien von Texas.
Ich will nicht von allen Gefahren erzählen, in denen wir Ottern- und Biberjäger während der sechs Monate eines herumstreifenden Lebens, das auch seinen Reiz hat, geschwebt sind. Es war aber einer unter uns, der diese abenteuerliche Lebensweise nicht ebenso angenehm fand als wir drei. Das war der schon erwähnte junge Mann.
Als ich ihn zum erstenmal sah, war mir der schwermütige Ausdruck von Ergebung in seinem Gesicht aufgefallen; später jedoch schien seine Ergebung abzunehmen und seine Schwermut größer zu werden. Vergebens ergriff der alte Jäger, den ich für seinen Vater hielt – ich weiß jetzt, daß er es nicht ist –, jede Gelegenheit, ihn die Pracht der großen Wälder, in denen wir lebten, die ehrfurchtgebietenden Szenerien der Steppe, den Reiz der Gefahren, denen wir trotzten, bewundern zu lassen; nur in der Gefahr vergaß der junge Mann seine Schwermut. Er rief sie herbei und schien sie eifrig zu suchen, wie es derjenige tut, dem die Last des Lebens beschwerlich zu werden anfängt.
In ruhigen Augenblicken zeigte er eine düstere Stimmung, und ich sagte oft zu dem alten Krieger: »Die Einöde ist nur für das reife Alter da; die Jugend liebt das Geräusch und den Anblick ihresgleichen; laßt uns zu den Ansiedlungen zurückkehren!«
Und der Riese seufzte, ohne mir zu antworten.
Nach und nach wurde die Stirn der beiden Jäger, die den jungen Mann wie ihren Sohn liebten, auch düsterer. In einer Nacht, wo der junge Mann und ich erwachten, erinnerte ich ihn an einen Namen, den seine Lippen vor sechs Monaten im Schlaf ausgesprochen hatten; ich erfuhr nun die Ursache seines Kummers, der sein Leben langsam untergrub. Er liebte, und die Einöde hatte eine Erinnerung nur lebendiger geweckt, die er vergeblich auszulöschen gehofft hatte. Ja, der arme junge Mann liebte, und zwar unglücklich – ohne Gegenliebe.«
Der Erzähler schwieg einen Augenblick und beobachtete mit forschenden Augen die Haltung seiner Zuhörer; besonders die Doña Rosaritas, auf die er es hauptsächlich mit der Erzählung aller Umstände, die vorzüglich dazu geeignet sind, die Fibern des Herzens einer Frau erbeben zu lassen, abgesehen zu haben schien.
Krieger und Jäger zugleich, suchte der Hacendero das Vergnügen nicht zu verbergen, das er über die Geschichte dieser Unbekannten empfand.
Rosarita suchte unter einer scheinbaren Kälte den Reiz zu verbergen, den sie bei diesem Roman empfand, der Herz und Sinn zugleich in Anspruch nahm und dessen rührendste Seiten der Gambusino ihr sorgfältig aufschlug. Das Feuer ihrer großen schwarzen Augen, die Farbe ihrer Wange straften jedoch ihre Anstrengungen Lügen. »Ach«, rief Don Agustin, »wenn diese drei tapferen Unbekannten unter dem Befehl des armen Don Estévan gestanden hätten, so wäre das Schicksal der Expedition ohne Zweifel ein ganz anderes gewesen.«
»Ich glaube es auch«, antwortete Gayferos; »Gott hatte es anders beschlossen. Unterdessen«, fuhr er fort, »empfand ich lebhaft den Wunsch, mein Vaterland wiederzusehen; aber die Dankbarkeit machte es mir zur Pflicht, es ihnen zu verschweigen. Der alte Krieger schien es zu ahnen und sprach mit mir darüber. Zu edelmütig, um ihr Werk unvollendet zu lassen und mich allein den zahllosen Gefahren der Rückkehr auszusetzen, entschloß sich der riesige Jäger, mich bis Tubac zu begleiten. Sein Gefährte hatte nichts gegen diesen Entschluß einzuwenden, und wir machten uns zur Grenze hin auf den Weg. Der junge Mann allein schien uns nur widerstrebend zu folgen.
Um das Presidio zu erreichen, war es notwendig, zum
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