Der Waldläufer
Herrlichkeit wird in Diaz' Begleitung dem Fluß folgen, den Ihr linker Hand wiederfinden werdet«, sagte der Bandit zu Don Estévan. » Sein Lauf wird Euch nach vielen Krümmungen zu der Brücke aus Baumstämmen bringen, die zum anderen Ufer führt. Doch ehe Ihr zu dieser Brücke kommt, haltet unter der Baumgruppe still, um mit uns wieder zusammenzutreffen, sobald wir unsererseits unser Vorhaben ausgeführt haben, um dann alle mit den Dienern uns zu vereinigen, die dort schon vor uns eingetroffen sein werden. Diese Menschen dürfen nichts von unseren Handlungen oder Plänen ahnen; das ist auch der Grund, warum ich sie entfernt habe.«
Cuchillo hatte kaum als geschickter Kapitän – oder, um es besser auszudrücken, als vollendeter Bösewicht – die Auseinandersetzung seines Plans beendigt, als er auch mit seinen beiden Freunden den Weg in der Richtung nach dem Feuer, das man immer in der Ferne vor Augen hatte, weiter verfolgte. Don Estévan und Pedro Diaz wandten sich links, um den Lauf des Flusses, dem sie folgen sollten, wiederzufinden.
»Dieses Feuer bezeichnet ohne Zweifel einen Ort, wo Reisende haltgemacht haben«, sagte Pedro Diaz, als Cuchillo sich entfernt hatte. »Aber wer können diese Reisenden sein? Ich kann es nicht erraten.«
»Reisende, wie es deren so viele gibt«, sagte Don Estévan mit zerstreuter Miene.
»Nein, das ist nicht möglich! Don Agustin Peña ist zehn Meilen in der Runde durch seine edle Gastfreundschaft bekannt, die er so gern übt. Es ist nicht vorauszusetzen, daß diese Leute so nahe bei der Hacienda nichts von ihrem Dasein wissen sollten. Es können also nur Fremde sein; oder wenn es Leute aus dieser Gegend sind, so kann dieses vorsichtige Alleinsein nur schlechte Absichten verhüllen.«
Pedro Diaz kam beinahe zu demselben Schluß wie Tiburcio beim Anblick des entfernten Lichtes, das ihm aufgefallen war.
Cuchillo näherte sich mit seinen beiden Gefährten Oroche und Baraja immer mehr dem Saum des Waldes; er hatte es für nutzlos gehalten, sie wegen ihrer Unmäßigkeit zu schelten. »Erwartet mich hier«, sagte er zu ihnen; »ich will etwas in diesem Wald pflücken, wovon eure Betäubung vergehen wird.«
Cuchillo stieg ab und kam bald mit einer länglichen Frucht in der Hand zurück, gelb wie eine reife Banane: es war die Frucht des Jocuistle, von der er gesprochen hatte. Er gab sie den beiden Reitern, die nach seiner Anweisung den scharfen, aber schmackhaften Saft davon tranken – ein untrügliches Mittel gegen die Trunkenheit. Wirklich verschwanden nach einigen Minuten die Dünste aus dem Gehirn der beiden Trunkenen wie durch Zauberei.
»Jetzt an unser Werk!« sagte Cuchillo, ohne Zeit damit zu verlieren, die Entschuldigungen seiner beiden Gefährten anzuhören.
Als sie die ersten Bäume des Waldes erreicht hatten, begann der Bandit abermals: »Ihr werdet hier absteigen und eure Pferde am Zügel führen, bis ihr im Schein der Feuerstelle unterscheiden könnt, welche Menschen sich dort gelagert haben; sobald ich meinen Büchsenschuß abgegeben habe, werde ich mich zu euch zurückziehen.«
»Das versteht sich«, antwortete Oroche; »Baraja und ich sind bereit, wie wir es versprochen haben, das persönliche Interesse dem allgemeinen zu opfern.«
Cuchillo tat geradeso, wie er es seinen Genossen eingeschärft hatte. Er band sein Pferd an einen Sumachstamm und näherte sich kriechend wie ein Jaguar der Feuerstelle. Er lauschte – das ruckweise Brüllen der wilden Tiere, die in der nahen Steppe umherschweiften, der schrille Ruf des Hahns, das traurige Geschrei einer nicht weit davon sitzenden Eule und das klagende Geheul des Schakals mischten sich in das ferne Murmeln des Salto de Agua. Der Mond erleuchtete die Gipfel der Bäume, der Lichtkreis unter dem Laubdach wurde immer größer vor seinen Augen. Cuchillo näherte sich, immer kriechend; unter den verwirrten, bogenförmig gestalteten Wurzeln eines Baumes machte er halt, schaute sich um, lauschte abermals; dann flog ein wildes Lächeln über seine Lippen beim Anblick dreier Männer, von denen zwei saßen und der dritte am Feuer lag.
20 Der Waldläufer
Derjenige Teil der Ebene, der sich hinter der Hacienda ausdehnte, war noch ebenso, wie die ersten Ankömmlinge ihn gefunden hatten – das heißt unbebaut und wild. Einen Büchsenschuß etwa von der hinteren Ringmauer erhoben sich, wie wir schon erwähnt haben, die ersten Bäume; sie bildeten den Saum eines ungeheuren Waldes. Er dehnte sich nördlich bis zur Grenze der
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