Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
dem sonderbaren Anzug wie auch an dem gigantischen Wuchs konnte man in ihm einen von den kühnen Jägern, den Abkömmlingen der ersten Normannen in Kanada, erkennen, denen man von Tag zu Tag seltener an den Grenzen begegnet und die am Anfang dieser Erzählung erwähnt wurden. Seine Haare fingen an, sehr grau zu werden, und würden kaum gegen seine Mütze abgestochen haben, wenn nicht eine breite, kreisförmige Narbe, die von einer Schläfe zur anderen ging, die Grenze zwischen beiden bezeichnet hätte. Diese Narbe bewies, daß, wenn er auch sein Haupthaar noch besaß, er doch große Gefahr gelaufen hatte, es gewaltsam zu verlieren.
    Seine sonnverbrannten Züge schienen aus Bronze gegossen zu sein, soviel helles Licht und scharf dagegen abstechende Schatten verliehen ihnen der Glanz des Feuers und die Dunkelheit der Nacht. Übrigens lag in seinem Gesicht ein Ausdruck von Gutmütigkeit, der ganz zu der herkulischen Kraft seiner Glieder paßte, denn die Natur hat vorsorglich solchen Kolossen ebensoviel Sanftmut als Kraft verliehen.
    Obgleich sein Gefährte von ziemlich hohem Wuchs war, so erschien er doch ihm gegenüber wie ein Pygmäe; dem Anschein nach war er fünfundvierzig Jahre alt – das heißt fünf oder sechs Jahre jünger als der Kanadier –, aber sein Gesicht ließ bei weitem nicht auf eine solche Seelenruhe schließen, wie diejenige ist, deren Ursache in einer unwiderstehlichen Kraft liegt. Seine schwarzen Augen hatten einen kühnen, fast trotzig unverschämten Ausdruck; seine stets beweglichen Züge zeugten von heftigen Leidenschaften, die, einmal aufgeregt, sich bis zur Grausamkeit steigern konnten. Alles an ihm ließ einen Mann von einer anderen Rasse in ihm erkennen; einen Mann, in dessen Adern südliches Blut floß.
    Obwohl er einen Anzug trug, der dem seines Gefährten beinahe gleichkam, und auch ebenso bewaffnet war, so ließ seine ganze Kleidung doch eher einen Reiter als einen Fußgänger in ihm vermuten. Indes bezeugten seine zerrissenen Schuhe, daß er mit ihnen mehr als einen langen Marsch hatte zurücklegen müssen.
    Der Kanadier hatte sich seiner ganzen Länge nach auf das Moos gestreckt und schien mit besonderer Aufmerksamkeit eine Hammelkeule zu überwachen, die an ein Eisenholzstäbchen, das auf zwei kleinen Gabeln von demselben Holz ruhte, gespießt war und über glühenden Kohlen röstete, während deren schmackhafter Saft niedertropfte und zischend ins Feuer fiel. Er entwickelte bei diesem Geschäft so viel gastronomischen Eifer, daß er nur unvollkommen hörte, was ihm sein Kamerad sagte.
    »Ich versichere dir«, sagte dieser, der auf einen Einwurf zu antworten schien, »daß, wenn man einem Feind auf der Spur ist – sei er Apache oder Christ – man sich auf gutem Weg befindet.«
    »Aber«, antwortete der Kanadier, »du vergißt, daß wir nur gerade Zeit haben, nach Arizpe zu gehen, um den Preis zweijähriger Anstrengungen zu holen, und daß du mich schon zwingst, unsere beiden Jaguarhäute und die des Pumas zu opfern.«
    »Ich vergesse niemals meinen eigenen Vorteil; ebensowenig aber vergesse ich auch die Gelübde, die ich getan habe; zum Beweis dafür dient, daß ich schon vor fünfzehn Jahren das getan habe, was ich nun nächstens zu erfüllen hoffe. Ich rechne darauf, noch lange genug zu leben, um jedes Ding zu seiner Zeit zu tun – nur fange ich immer beim Notwendigsten an. Ich werde immer noch die Summen vorfinden, die man uns in Arizpe schuldet; wir werden überall diese drei Häute verkaufen können, die dir am Herzen liegen – aber der Zufall, der mich mitten in diesen Einöden dem Mann begegnen läßt, dem ich soviel Haß angelobt habe, wird mir keine solche Gelegenheit wieder bieten, wenn ich sie entschlüpfen lasse.«
    »Bah!« sagte der Kanadier. »Die Rache ist eine Frucht wie viele andere: sie ist süß, ehe man sie gepflückt, sie ist bitter, wenn man sie gekostet hat.«
    Einen Augenblick schwiegen beide Jäger, dann begann Pepe wieder: »Es will mir indes vorkommen, Señor Bois-Rosé, daß du in bezug auf die Apachen, die Sioux, die Crow und andere innige – Feinde von dir nicht dieser Ansicht bist, denn deine Büchse hat ihnen ich weiß nicht wie viele Schädel zerschmettert, ohne die Krieger zu rechnen, denen dein Messer den Leib aufgeschlitzt hat.«
    »Oh, das ist was ganz anderes, Pepe; die einen haben mir meine Häute gestohlen, die anderen haben mich halb skalpiert, alle haben mich schreckliche Augenblicke erleben lassen; und dann ist es auch eine gerechte

Weitere Kostenlose Bücher