Der Waldläufer
Ihr ihm bewiesen habt, mißbrauchte, um eine Verschwörung um uns anzuzetteln, in der alles vernichtet werden konnte: Eure Pläne, die meinigen und die Tragaduros!«
Man sieht, daß Don Estévan Tiburcios Sache dem Hacendero in einem viel düsteren Licht darstellte als dem Senator. Wirklich mußte der letztere ganz natürlich seinen Gegner überall und immer hassen, während – alles in allem betrachtet – der reiche Eigentümer wegen seiner zärtlichen Liebe für seine Tochter die Dinge in einem viel günstigeren oder doch weniger traurigen Licht betrachten konnte.
»Die Größe meines Hauses, die Gastfreundschaft, die man mißbraucht?« rief der Hacendero ganz erstaunt, indem er mit einer Hand nach einer langen, breiten Toledoklinge griff, die am Kopfende des Bettes hing – ganz wie ein Mann, der immer bereit ist, sein gutes Recht beim Schwert zu suchen. »Wer bedroht die Größe meines Hauses? Wer mißbraucht meine Gastfreundschaft?«
»Beruhigt Euch!« erwiderte Don Estévan, innerlich lächelnd über den Gegensatz zwischen dem jugendlichen Feuer dieses schon gereiften, aber an ein gefahrvolles Leben gewöhnten Mannes und der Zaghaftigkeit des Senators. »Der Feind ist nicht mehr hier; er ist entflohen und hat damit selbst sein Urteil gesprochen.«
»Aber wer ist denn dieser Feind?« fragte Peña.
»Tiburcio Arellanos!«
»Er ein Feind?« erwiderte der Hacendero. »Das ist unmöglich! Rechtlichkeit und Mut sind auf sein Gesicht gezeichnet; die Schilderung, die Ihr da von ihm entwerft, ist die eines Verräters und Feiglings!«
»Er weiß, wo das Val d'Or liegt! Er liebt Eure Tochter!«
»Ist es weiter nichts als das? Ich habe es Euch ja selbst gesagt!«
»Ja; aber Eure Tochter liebt ihn wieder, und das wißt Ihr nicht.« Und er erzählte dem Hacendero die Ereignisse dieses Abends, ohne ihm etwas zu verschweigen.
»Um so schlimmer für den Senator«, meinte Peña.
»Denkt an Euer Wort, das Ihr nicht nur mir oder Tragaduros allein gegeben habt, sondern einem Prinzen aus dem königlichen Blut Spaniens, dessen teuerste Interessen ich vertrete und dem dieses Ereignis – so einfach es auch ist –, dieser Eigensinn eines kleinen Mädchens die Krone vom Haupt reißen kann! Denkt an Euer Land, das seine Wiedererhebung, seinen Ruhm, seine künftige Macht von dem Bündnis erwartet, wozu Ihr Euer Wort verpfändet ...«
»Was hat denn mein Wort mit solchen Betrachtungen zu tun? Habt Ihr nicht mein Wort? Ich nehme es niemals zurück; aber nur dem Herzog von Armada habe ich es gegeben, nur Ihr allein könnt mich davon entbinden. Seid Ihr zufrieden mit dieser Versicherung?«
»Warum sollte ich es nicht sein?« rief der edle Spanier und reichte dem Hacendero die Hand. »Sei es so: Ich habe Euer Wort und nehme alles übrige auf mich. Aber dieser junge Mann kann Helfershelfer finden und früher als wir zur Eroberung des Val d'Or aufbrechen; ich muß also nach Tubac und ihm zuvorkommen – das ist der Grund, warum ich Euch so plötzlich verlasse.«
»Wie sich auch alles gestalten mag – Rosarita wird die Frau des Senators. Lebt denn wohl, und möchtet Ihr bald zurückkehren!«
Der Spanier hatte, wie man sieht, viel sorgfältiger vor dem ehrlichen Don Agustin als vor dem Senator gegen seine geheimen Absichten gegen Tiburcio verborgen gehalten. Da er nun sicher auf das bestimmte Wort Don Agustins bauen konnte, so nahm er Abschied von ihm, vergaß jedoch nicht sein Versprechen, dem Senator einen bedeutenden Kredit zu eröffnen. Peña wollte aufstehen und ihn bis zum Tor der Hacienda begleiten, aber der Spanier nahm es nicht an.
Alles war fertig zum Aufbruch, als Don Estévan, nachdem er alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, in den Hof hinabstieg. Cuchillo, Baraja, Oroche und Diaz waren im Sattel; der letztere auf einem prachtvollen, feurigen Rappen, den der Hacendero seinem Versprechen getreu dem Abenteurer im Laufe des Abends geschenkt hatte.
Die Maultiere waren gesattelt und beladen; zwei Diener, von denen Benito einer war, standen in Erwartung Don Estévans in ehrerbietiger Haltung. Nur gab es keine frischen Pferde für den Zug, wie wir sie im Dorf Huerfano gesehen haben. Ungeachtet seiner scheinbaren Ungeduld wußte der Spanier sehr wohl, daß er immer noch vor Tiburcio in Tubac ankommen würde, sollte dieser auch wirklich durch ein Wunder das Presidio von Tubac erreichen.
19 Baraja zählt einen Helfershelfer zuviel
Mit Ausnahme der Diener wußten alle Reiter, die der edle Spanier vor sich sah, ganz
Weitere Kostenlose Bücher