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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hielt es keineswegs für gut, sich dies merken zu lassen, sondern ritt jetzt mit einer Miene voran und an dem Gebüsche vorüber, als habe er nicht die geringste Ahnung von der gefährlichen Nachbarschaft.
    Und doch hing sein Leben nur an einem Haare.
    Main-Rouge legte den Lauf seiner Büchse auf die Gabel eines Busches und zielte.
    »Halt, alter Schelm!« gebot sein Sohn. »Willst Du eine Dummheit begehen?«
    »Ist es eine Dummheit, einen Schurken wegzuputzen, der es sich zum Vergnügen macht, uns zu verrathen?«
    »Nein; er wird sein Leben und seinen Skalp geben müssen; das ist sicher. Aber nicht jetzt.«
    »Und doch jetzt. Ich schenke ihm keine Sekunde länger!«
    Er zielte und hätte wirklich abgedrückt, wenn ihm nicht der Mestize die Hand von dem Gewehre hinweggeschlagen hätte.
    »Bist Du verrückt, alter Leichtsinn? Du willst uns wohl den ganzen Trupp auf den Hals bringen, daß sie uns an Stelle der Apachen schinden!«
    »Ich fürchte sie nicht. Oder hast Du vielleicht Angst?«
    »Wenn Du mir noch einmal ein solches Wort sagst, so jage ich Dir das Messer in die Gurgel. Ein Kerl wie Du darf mich am Allerwenigsten beschimpfen. Du hast schon längst einen guten Stich oder einen scharfen Schnitt verdient, denn dadurch würde die Welt vom größten Ungeziefer befreit, das es nur geben kann!«
    »Nimm Dich in Acht, Strolch, denn ich habe ebensowenig Lust wie Du, mich beleidigen zu lassen!« entgegnete der Räuber. »Wer seinem Vater solche Namen giebt, verdient nicht einmal eine Kugel oder Klinge, sondern den Strick.«
    »Schweig, sonst mache ich meine Worte wahr!« herrschte ihm der Sohn zu.
    Der Alte murrte etwas vor sich hin und legte die Flinte weg.
    El Mestizo folgte dem sich immer mehr entfernenden Trupp mit den Augen, bis er verschwunden war.
    »Sie haben den Krämer bei sich.«
    »Wer, sie? Doch nicht die Vaquero’s, die nicht so viel besitzen, daß sie sich eine Elle schlechten Caliko’s kaufen können!«
    »Nein, sondern der Comanche. Ich vermuthe, daß er abgeschickt worden ist, um einen Viandanten zu einem Tauschgeschäft zu holen.«
    »Dann wird sein Zeug nicht unser!«
    »Allerdings, wenn Du Dich auf Deine eigene Weisheit und Tapferkeit verlassen müßtest. Dein Strohkopf reicht schon längst nicht mehr aus zur Erfindung eines guten Planes.«
    »So erfinde Du!«
    »Das ist nicht nöthig; ich bin schon fertig.«
    »Wie?«
    »Der Comanche muß sterben und der Kram unser werden; wir können dies allein nicht fertig bringen und müssen also zu den Apachen.«
    »Wahrhaftig, Deine Weisheit ist größer, als die meinige! Rede ja nicht mehr von Strohköpfen, wenn Du Dir nichts Besseres auszudenken vermagst! Wie willst Du erst die Apachen und dann mit ihnen den Krämer einholen, da wir zu Fuße sind?«
    »Alter, Du dauerst mich! Es wird Zeit, daß Dich die Erde bekommt, denn du bist nichts mehr nütze! Siehst Du nicht den Corral (Pferdehürde) da drüben im Felde?«
    »Ah, das geht!«
    »Also! Auf alle Fälle sind die Apachen erst nach Norden geritten und dann nach Westen abgebogen. Halten wir gleich Nordwest ein, so müssen wir auf sie oder auf ihre Fährte stoßen, und das Uebrige findet sich dann ganz von selbst. Sie sind Todfeinde der Comanchen und liegen gerade jetzt im Kampfe mit den Weißen; sie werden es uns Dank wissen, wenn wir ihnen einen Fang zuweisen, wie dieser Falkenauge ist, den sie hassen und fürchten wie keinen andern ihrer Feinde.«
    Er verließ sein Versteck und Main-Rouge folgte ihm.
    Der Corral gehörte zu einer nicht sehr entfernten Hazienda, und ganz in der Nähe desselben waren Leute beschäftigt. Dies kümmerte aber die beiden Räuber wenig oder gar nichts.
    Sie schritten langsam und sicher hinzu, als hätten sie das beste Recht zu Dem, was sie auszuführen beabsichtigten, und schwangen sich über die Umzäunung. Die halb wilden Pferde stutzten und suchten sich den nach ihnen langenden Armen durch die Flucht zu entziehen. Es gelang ihnen nicht, obgleich die beiden Männer nicht mit Lasso’s versehen waren. Diese warfen ihre Decken den Pferden über den Kopf, und in dem Augenblicke, an welchem die Thiere darüber stutzten, saßen sie auf, setzten über die Barrière hinweg und jagten hinaus in das Weite.
    Ohne Sattel, Bügel und Zügel ging es im scharfen Galopp der Richtung zwischen Abend und Mitternacht zu. Sie legten mit den frischen, ungebändigten Pferden, die unter dem kräftigen Schenkeldrucke wie auf den Flügeln der Windsbraut in ungeminderter Eile dahinstürmten, in

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