Der Waldläufer
auch nothwendigen Wachen aus.
Nach dem Mahle ging es beim Feuer der Weißen noch lange lebendig her. Es wurden allerlei Geschichten erzählt, wie man sie in der Prairie zu hören bekommt, und es war wohl schon Mitternacht, als die Laute erstarben und das Feuer erlosch. Dasjenige der Wilden war bereits ausgegangen, und ihre dunklen Gestalten lagen um die glimmenden Reste herum wie leblose Körper, ohne Laut und Bewegung, als hätte sie die Kugel eines Feindes niedergestreckt.
Noch begann die Sonne den Horizont nicht zu röthen, und nur ein bleicher Schein machte sich am östlichen Himmel bemerklich, als eine der indianischen Wachen zu dem schlafenden Anführer trat und leise seine Schulter berührte.
Ein Weißer hätte diese Berührung kaum im Wachen bemerkt, Falkenauge aber stand sofort aufrecht und mit der Büchse in der Faust vor dem Indianer.
»Falkenauge hat befohlen, ihn zu rufen, wenn der Tag die rothen Männer grüßt!«
Der Erwachte machte eine Geberde der Zufriedenheit und trat zu Encinas, den er weckte.
»Was gibt es?« frug dieser gähnend und sich die Augen reibend.
»Der Kampf naht. Meine weißen Brüder mögen den Schlaf von sich werfen!«
Auf den Ruf des Cibolero erhoben sich sämmtliche Schläfer und erfuhren erst jetzt, was ihnen nach der Ansicht des Comanchen bevorstand.
Dieser nahte sich dem Haziendero.
»Die rothen Männer werden mit den Bleichgesichtern kämpfen und den Apachen die Skalpe nehmen. Wer soll der Anführer sein, mein weißer Bruder oder Falkenauge?«
»Mein rother Bruder ist erfahrener als ich; er mag das Kommando führen!«
Falkenauge verneigte stolz und zustimmend das Haupt und trat zu dem Krämer.
»Will mein Bruder haben, daß ihn die Apachen tödten und ihm seine Sachen rauben?«
»Santa madonna, das fällt mir nicht im Geringsten ein! Wenn sie kommen, so werde ich fliehen, werde – –«
Der Comanche schnitt dem furchtsamen Manne mit einer gebieterischen Handbewegung die Rede ab.
»Mein Bruder wird mit seinen Maulthieren nach Mitternacht reiten, bis er die Büsche nicht mehr sehen kann, und dort bei den Häuten bleiben, bis der Kampf zu Ende ist.«
Er gab einen Wink.
Die Comanchen hatten ihre Felle bereits an die von den Sattelknöpfen herabhängenden Lasso’s befestigt und sprengten mit ihnen davon. Der Händler folgte langsamer nach. Falkenauge mußte vollständig sicher sein, daß die Apachen auf seine Fährte einbiegen und von Süden kommen würden, sonst hätte er die Häute sammt dem Krämer mit seinen Waaren nicht preisgegeben. Der wilde Sohn der Prairie ist gewohnt, mit Vermuthungen ebenso sicher zu rechnen, wie das Kind der Civilisation mit den untrüglichsten Ziffern und Zahlen.
Noch waren nicht zehn Minuten vergangen, so kehrten die Transporteure der Häute wieder zurück. Falkenauge ließ von den Spuren so viel verwischen, als er für nöthig hielt, und plazirte dann die zwölf Weißen und seine zwanzig Indianer so zwischen die Stämme und Zweige des kreisförmigen Baumringes, daß selbst das schärfste Auge keinen von ihnen im ersten Augenblicke entdeckt hätte.
Den Pferden wurden sämmtlich die Nüstern verbunden, damit sie nicht vor der Zeit zum Verräther werden konnten.
Er selbst postirte sich einstweilen so, daß er den südlichen Horizont genau zu überblicken vermochte.
In lautloser Stille lag das Gebüsch in der vom Morgenthau befeuchteten Savanne, und die regungslose Gestalt des Comanchen glich einer Statue, welche für die Nachwelt hergestellt war, zur Erinnerung an die tapfern, kühnen Völkerstämme, denen einst das weite Land gehörte und die, mit der Büchse in der Faust und den Messern zwischen den Zähnen, sterben und untergehen mußten, weil sie nicht lernen wollten, ihre Kniee und Nacken zu beugen unter dem Joche einer Civilisation, von der sie nur die Schattenseite zu sehen bekamen.
Da tauchte eine breite, weit ausgedehnte Reihe von dunklen Punkten im Süden auf, die sich schnell näherten und vergrößerten.
»Ugh!« klang es in tiefem Gutturaltone zwischen den Lippen Falkenauge’s hervor, und nun wußten die Verborgenen, daß der Feind nahe.
In immer mehr sich verengendem Halbkreise kamen die Apachen herbeigesprengt. Der Comanche konnte jetzt deutlich El Mestizo und Mani Sangriente unterscheiden, welche voranritten, um die Spur im Auge zu behalten. Einige Büchsenschüsse weit von der Baumgruppe blieben sie halten, um eine kurze Berathung zu pflegen.
Jetzt erst fiel dem Comanchen eine Sorglosigkeit ein, die er
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