Der Waldläufer
allerdings hingen noch dichte Nebel, welche, von dem Staube des Wasserfalles gespeist und von dem leichten Morgenwinde bewegt, wie Wolken hin-und herwogten und den dort postirten Belagerern nicht erlaubten, die Pyramide zu beobachten.
Es wurde heller und heller; der Wind verstärkte sich und zerriß die Wolken und Nebel, die er bald ganz auseinanderjagte. Nun konnten die Jäger auch die Anstalten beobachten, welche ihre Feinde getroffen hatten, um den Angriff zu unterstützen.
Der Rand des Weges, welcher oben auf der Höhe hinführte, war mit künstlich aufgerichteten Sträuchern und Reisern maskirt, hinter denen die Feinde Deckung fanden oder wenigstens nicht bemerkt werden konnten.
»Jetzt ist es hell genug, um ihre Kugeln zu erwarten,« meinte der Kanadier. »Aber was ist das? Eine Hand bewegt sich über den Büschen hin und her, zum Zeichen, daß man zu unterhandeln wünsche. Wir wollen ihnen aus Höflichkeit den Willen thun!«
Auch er erhob die Hand über die Steinbrüstung und gab damit seine Zustimmung zu dem Wunsche der Feinde.
Da zeigte sich an einer von Gebüschen nicht bedeckten Stelle eine Gestalt.
»Santa Lauretta, kennst Du den Kerl, Rosenholz?« frug überrascht Pepe.
»Half-Breed, wahrhaftig, der Raubmörder! Wo der ist, da ist auch sein Vater Red-Hand nicht weit!«
»Dem Himmel sei Dank, daß wir diese Kerle einmal vor uns haben! Ich werde sie nicht auf den Thunfischfang schicken, sondern etwas weit Besseres mit ihnen thun!«
»Ja, er ists,« bestätigte auch Fabian. »Er soll bald erfahren, wie ich mit seiner Büchse umzugehen verstehe!«
Jetzt erhob El Mestizo seine Stimme. Hätte er nicht gewußt, weiße Jäger vor sich zu haben, so hätte er es sicher nicht gewagt, sich ihren Gewehren in dieser Weise bloszustellen.
»Was für Männer sind da unten auf dem Grabmale?« frug er.
»Wirst sie sofort sehen, Schurke!« antwortete die dröhnende Stimme des Kanadiers.
Er richtete seine herkulische Gestalt empor, so daß sie die Schanzmauer weit überragte. Auch Pepe sprang auf und stellte sich an seine Seite. Sofort erhoben die Indianer drüben ein gellendes Freudengeheul. Sie hatten die drei Jäger erkannt, die ihnen mit der Insel im Rio Gilo auf so unbegreifliche Weise entkommen waren.
»Der große Adler!« rief El Mestizo.
»Und der zündende Blitz!« ergänzte Pepe, sich fest auf den Lauf seiner Büchse stützend. »Wo habt Ihr denn den alten Spitzbuben, der sich Red-Hand schimpfen läßt?«
Da erhob sich neben dem Mestizen die hagere, sehnige Gestalt seines Vaters.
»Hier, seht ihn Euch an!« grinste er herüber. »Wir kennen uns wohl schon seit längerer Zeit?«
»Ich denke, seit dem Tage, an welchem Euch ein guter Kolbenschlag überzeugte, daß das Haar anderer Leute nicht auf Eurem Kopfe gewachsen ist. Was wollt Ihr heut von uns?«
»Das sollt Ihr sofort hören! Ihr habt einen Schatz unter Euch?«
»Einen Schatz? Welchen meint Ihr?«
»Das Gold der Bonanza.«
»Was habt Ihr damit zu schaffen?«
»Gebt es heraus!«
»Ah! Und dann?«
»Dann könnt Ihr ruhig gehen.«
»Sehr gut! Mit Sack und Pack?«
»Mit Sack und Pack, doch ohne Waffen.«
»Ausgezeichnet! Ich sage Euch, wenn Ihr mit uns verhandeln wollt, so müßt Ihr so reden, wie man mit Männern spricht, die man durch Drohungen nicht einschüchtern und durch Lügen nicht bethören kann. Sagt, was Ihr von uns wollt, und dann sollt Ihr von uns eine offene Antwort hören!«
El Mestizo gab nach der Seite hin einen Wink, auf welchen ein Indianer zu ihm trat. Während er mit diesem verhandelte, suchte der Kanadier mit scharfem Auge das ganze drüben liegende Buschwerk ab.
»Pepe, willst Du die Verhandlung führen?«
»Wie Du willst?«
»Siehst Du dort zwischen dem Kirschlorbeerstrauche den Lauf einer Büchse?«
»Ja.«
»Paß auf. Sobald es blitzt, lässest Du Dich fallen. Die Kugel braucht von drüben bis herüber wohl so viel Zeit, daß Du zwischen Blitz und Treffen zur Erde bist.«
»Habe keine Sorge. Der Mann da drüben trifft mich nicht!«
»Aber ich ihn!« betheuerte Rosenholz, indem er sich gemächlich niederstreckte und die Mündung seiner Büchse so vorsichtig zwischen zwei Steine schob, daß sie von oben nicht bemerkt werden konnte.
»Ihr kennt die beiden Räuber schon?« frug Fabian.
»Ein wenig, mein Sohn. Ich lag eines schönen Tages im Schlafe, während Pepe gegangen war, um einen Trunk Wassers zu holen. Da überfielen mich die beiden Schufte und hatten mich gebunden, ehe ich zum Aufwachen kam. Sie
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