Der Waldläufer
Vermuthung der scharfsinnigen Jäger erwies sich als völlig richtig. Vier Indianer sprangen, sich jetzt sicher meinend, mit ihren Büchsen in der Hand nach den Felsen empor, hinter welchen sich Baraja und Oroche beim Nahen Cuchillo’s versteckt hatten.
»Ich den Ersten, Pepe den Zweiten, und Du den Dritten, Fabian!« rief Rosenholz.
Drei Feuerstrahle sprühten zwischen den Steinen der Balustrade hervor; die drei anderen Wilden stürzten zusammen, und nur der Vierte erreichte sein Ziel, hinter welchem er sofort verschwand.
Kein einziger Laut drüben gab ein Zeichen von der Erbitterung, welche dieses Begegnen ihrer Kriegslist bei den Belagerern hervorrufen mußte.
»Eine – zwei – drei Kerben. Noch Fünf!« zählte Pepe, indem er mit sichtlicher Befriedigung seine Zeichen einschnitt.
»Von fünfzehn Feinden bereits acht gefallen!« lächelte der Kanadier. »Die kleinere Hälfte wird uns wohl mehr Arbeit machen, als die größere. Drückt Euch so eng wie möglich an die Verschanzung, sonst gebt Ihr dem Schurken da oben ein sicheres Ziel!«
Seine Warnung kam keinen Augenblick zu früh. Pepe hatte sich auf dem Rücken ausgestreckt, um zu laden; da blitzte es oben an dem Felsen auf, und die Kugel schlug zwischen seinen beiden Füßen in den Boden.
In demselben Momente aber hatte er die Beine emporgezogen, daß die Kniee beinahe sein Kinn berührten. –
»Santa Lauretta, der Kerl will mir meine Schuhe kaput schießen! Wart, Hallunke, Du sollst nicht lange da oben blühen und gedeihen!«
Der Kanadier steckte den Lauf seiner Büchse zwischen die Steine und meinte ruhig:
»Fabian, mein Sohn, Deine Fußbekleidung ist länger als unsere Schuhe. Ziehe sie aus und schiebe sie so weit von Dir, daß der Rothe den Fuß zu sehen bekommt. Er schoß jetzt auf der rechten Seite der Felsen und wird, um uns irre zu machen, nun auf die linke hinüberwechseln. Diese neigt sich nach uns herüber, und wenn er die Büchse auch noch so hart an die Kante legt, der Ellbogen und ein Theil des Kopfes muß doch zum Vorschein kommen.«
Fabian folgte der Weisung, und der leere Stiefel zeigte sich allerdings so verführerisch für den Indianer, daß er sich zum Schuß verlocken ließ.
Hüben und drüben blitzte es auf; die beiden Schüsse deckten sich so, daß sie wie einer klangen; der Stiefel war nicht einmal gestreift worden, der Wilde aber kollerte, obgleich nur die eine Seite seines Gesichtes vom Ohre bis zum Auge an der Felsenkante auf einen kurzen Augenblick sichtbar gewesen war, todt den steilen Abhang herunter.
»Vortrefflich, Rosenholz!« belobte Pepe seinen Gefährten. »Der Mann wird fortan unsere Schuhe in Ruhe lassen. Acht Kerben – noch Vier!«
»Würde es nicht besser sein, mein Vater,« frug Fabian, »wenn wir die Munition für unsere Büchsen sparten? Wir wissen nicht, wie viel wir davon noch auf unserer Wanderung bis zum Büffelsee brauchen, und die Entfernung zwischen hier und drüben ist nicht so groß, daß wir mit den beiden anderen Gewehren nicht zu treffen vermögen.«
»Du hast Recht, mein Sohn. Nimm Du den Karabiner, während ich mich der Flinte bedienen werde. Pepe mag seine Büchse fortbehalten!«
Drüben herrschte wieder tiefe Ruhe, die durch keinen Laut unterbrochen wurde. Jedenfalls saßen die Belagerer wieder beim Kriegsrathe. Keine Bewegung zeugte von ihrer Anwesenheit. Die Entwerfung eines neuen, besseren Planes mußte ihnen große Schwierigkeit verursachen. Die Sonne stieg höher und höher; sie erreichte den Zenith und begann, sich wieder hinabzusenken. Die drei Jäger hatten ihre Mahlzeit gehalten und sich gesättigt; nur der Durst plagte sie. Bei der drückenden Hitze des Tages hätte er sie noch viel mehr belästigt, wenn nicht die herabstürzenden Wasser der Kaskade einen seinen Staub verbreitet hätten, den man zwar nicht zu sammeln und zu trinken vermochte, welcher aber die Luft befeuchtete und, eingeathmet, die Qual des Durstes milderte.
Da endlich ließ sich drüben eine Aenderung bemerken, welche die Aufmerksamkeit der Waldläufer auf sich zog. Ganz am äußersten Punkte der Angriffslinie wurde ein aus einem Büffelfelle bestehender Kriegsmantel über zwei eng zusammenstehende, niedrige Büsche gebreitet.
»Was haben sie vor?« frug Pepe.
»Wenn sie drei oder vier solcher Mäntel über einander legen, so erhalten sie eine Verschanzung, welche selbst unsere Büchsenkugeln nicht zu durchdringen vermögen. Es ist nur dabei zu verwundern, daß sie dieses Bollwerk so weit auf der Flanke
Weitere Kostenlose Bücher