Der Waldläufer
dies auszahltet, sollte sie für Euch verloren sein, denn Sang-Mele wollte sie als seine Frau bei sich behalten. In dem Augenblicke, wo sie schießen wollten, schlug ich sie nieder.«
»Tiburcio!« rief das Mädchen, welches herbeigetreten war und seine Worte mitgehört hatte. »Welch ein Glück, daß Ihr uns folgtet!«
Er sah sie erbleichen und zittern bei dem Gedanken, in die Hände der »Teufel der Savanne,« wie Sang-Mêlé und Main-Rouge genannt wurden, zu fallen.
»Rosarita hat Recht,« stimmte Don Augustin bei, indem er dem Jünglinge die Hand reichte. »Ihr habt uns zum größten Dank verpflichtet. Die Hazienda del Venado steht Euch zu jeder Zeit und zu jeder Hilfe offen. Merkt Euch das, Tiburcio Arellanos!«
»Ich that meine Pflicht, Sennor Pena, nichts weiter. Wollt Ihr mir aber eine Gefälligkeit erweisen, so erlaubt, daß ich für diese Nacht an Eurem Lagerfeuer bleiben darf!«
»Wir erlauben es nicht, sondern wir bitten Euch, es zu thun,« fiel Rosarita ein. »Ich werde unter Eurem Schutze sicher ruhen!«
»Was thun wir mit den Räubern?« frug Pena.
»Schleppt sie an das Feuer,« gebot Tiburcio den Vaquero’s. »Wir dürfen sie nicht aus den Augen verlieren!«
Erst als die Körper der Gefangenen von der Flamme beleuchtet wurden, sah Don Augustin, mit welchen fürchterlichen Feinden er es zu thun gehabt hatte. Der alte Red-Hand, welcher aus dem Norden der Vereinigten Staaten stammte, war schon in seiner Jugend einer der berühmtesten Wildsteller und Schützen gewesen. Das wilde Leben hatte seine Knochen zu Eisen, seine Sehnen zu Stahl gehärtet und ihn zu einem bisher noch unüberwundenen Gegner gemacht. Sein ihm ebenbürtiger Sohn mußte ihn noch übertreffen, und die vier geretteten Personen standen da und betrachteten die Gefesselten mit jenen Gefühlen, mit welchen der Jäger auf den überwundenen Löwen blickt, von dem ein einziges Zucken der Pranken genügt, den Feind in Stücke zu zerreißen.
»Tiburcio, Ihr seid der beste Rastreador und Reiter von Sonora, hier aber habt Ihr ein Meisterstück gemacht,« meinte Don Augustin mit einem Athemzuge der Erleichterung. »Die Teufel sind noch von Niemandem besiegt worden!«
»Hätten sie mich bemerkt, so wäre ich verloren gewesen wie jeder andere, Sennor. Einen Menschen von hinten niederzuschlagen ist ein schlechtes Meisterstück.«
»Aber Ihr habt ausgezeichnet getroffen! Sie find noch immer wie todt.«
»Meint Ihr?« lächelte Tiburcio. »Ich wette mein Leben, daß sie schon seit fünf Minuten bei voller Besinnung sind und jedes Wort vernahmen, welches wir sprachen. Diese Art Ungeziefer hat ein zähes Leben. Wären unsere Riemen nicht so scharf und fest, so wären die Teufel längst wieder frei; da sie aber keine Möglichkeit sehen, uns zu entkommen, so ziehen sie es vor, todt zu bleiben.«
Er bückte sich nieder und nahm die lange, ungewöhnlich schwere Büchse El Mestizo’s auf.
»Dieses Gewehr ist, außer einem einzigen, das beste zwischen Kanada und dem Honduraslande. Es hat einen Werth, den nur der Jäger zu taxiren versteht, und wird von jetzt an mir gehören.«
»Hund!« knirschte es da zwischen den Lippen des Mestizen hervor.
Tiburcio lächelte befriedigt.
»Seht Ihr, Sennor Pena, daß sie lebendig sind! Er würde die Büchse nicht für zehntausend Unzen verkaufen, und muß sie jetzt umsonst hergeben; das hilft ihm zur Sprache. Nur ein einziges Gewehr gibt es, welches diesem gleicht, und das ist droben in den Rocky Mountains zu finden. Es gehört einem kanadischen Bärenjäger, welcher den Namen Bois-rose führt und in Gesellschaft eines Spaniers allem Wilde und wohl auch jedem Indianer den Tod geschworen hat. Er soll ein Riese sein, der eine Büffelkuh mit den Fäusten niederwirft, und dem kein Mensch gewachsen ist, so weit die Savanne reicht. Er hat noch niemals einen Fehlschuß gethan; die rothen Leute nennen ihn den ›großen Adler‹ und seinen Begleiter den ›zündenden Blitz;‹ an jedem Lagerfeuer drüben über dem Rio Grande del Norte erzählt man sich von ihren Heldenthaten, und wenn sein Schuß im Walde fällt, so kennt jedes Ohr den untrüglichen Klang seiner Büchse, der Indianer zittert, der ehrliche Weiße aber, der ein gutes Gewissen hat, freut sich, unter seinen gewaltigen Schutz zu kommen.«
»Kennt Ihr einige von seinen Thaten?« frug das Mädchen.
»Viele. Ich habe ihn noch nicht gesehen, desto mehr aber von ihm gehört.«
»So erzählt uns von ihm, Tiburcio, wenn wir unser Mahl gehalten
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