Der Waldläufer
kurze Strecke seitwärts.
»Es ist keine Täuschung. Hier sind zwei Männer zu Fuß auf die Fährte getroffen und ihr sofort gefolgt. Sie tragen indianische Moccassins, gehen aber wie die Weißen, mit den Fußspitzen nach auswärts, und führen gute, kentucky’sche Bärentödter bei sich; das sieht man an den Kolbeneindrücken hier, wo sie die Büchsen auf die Erde gestemmt haben. Wenn die ersten Vier Sennor Augustin Pena von der Hazienda del Venado mit seiner Tochter Rosarita und zwei Vaqueros sind, wie ich vermuthe, so droht ihnen vielleicht Gefahr. Ich kann nicht von den Spuren lassen!«
Er stieg wieder auf und folgte der Fährte, bis ihm die sich immer vergrößernde Dunkelheit nicht mehr erlaubte, die Eindrücke vom Pferde herab zu erkennen. Jetzt setzte er die Verfolgung zu Fuße fort, indem er sein Thier am Zügel führte.
Der Boden hatte schon längst einige derbere Grasarten und Stauden gezeigt, wie sie nur in der Nähe von Busch oder Wald und Wasser vorkommen. Einzelne zerstreute Mezquites (Gummipflanzen) zeigten sich; die Sträucher traten nach und nach enger zusammen, und es gehörte das scharfe, geübte Auge eines Rastreadors von den ausgezeichneten Fähigkeiten Tiburcio’s dazu, die zwischen ihnen hinlaufende Fährte nicht zu verlieren. Er war gezwungen, sein Auge dicht am Boden zu halten, und bemerkte, daß die Eindrücke immer deutlicher wurden. Das saftige Gras, welches auf die Nähe eines Wasserlaufes schließen ließ, hatte sich noch nicht um eine Linie wieder erhoben, ein Zeichen, daß die Verfolgten kaum einige hundert Schritte vor ihm sein konnten. Er beschloß, sein Pferd zurückzulassen, band es an und schlich sich nun mit unhörbaren Schritten vorwärts.
Da schimmerte ihm eine Helle entgegen. Sie wurde verursacht von dem Lagerfeuer der vier Personen, welche er zuerst bemerkt hatte. Es brannte auf einer kleinen Lichtung, deren Rand ein schmaler Bach umspülte.
Ein Blick genügte, um ihn zu überzeugen, daß er sich nicht geirrt habe. Ein hoher, schöner Mann in der Tracht eines reichen Haziendero (Meiereibesitzer) stand am Feuer, neben welchem auf dem ausgebreiteten Poncho ein junges Mädchen ruhte, deren wunderbar schönes Angesicht unter dem Einflusse der Flammen in rosiger Gluth leuchtete. Zwei Vaqueros (Hirten) waren beschäftigt, die Pferde abzusatteln.
»Es ist Don Augustin mit Sennora Rosarita,« flüsterte er, indem sein Herz höher schlug. »Aber wer sind die beiden Männer?«
Es war so dunkel geworden, daß er die Spuren unmöglich mehr erkennen konnte; er mußte die Umgebung durchschleichen, wenn er Antwort auf seine Frage finden wollte. Tief am Boden liegend, schob er sich langsam und unter Vermeidung auch des geringsten Geräusches seitwärts zwischen die Büsche hinein und war auch noch nicht weit gekommen, als er die zwei Gesuchten bemerkte. Sie lagen ganz so wie er am Boden und hielten die glühenden Augen nach dem Feuer gerichtet. Nur ein einziger Strauch trennte sie von ihm, so daß er den größten Theil des im Flüstertone zwischen ihnen geführten Gespräches zu vernehmen vermochte. Sie waren wie Mansas (civilisirte Indianer) gekleidet, doch deutete ihre Hautfarbe auf kaukasische Abstammung hin. Wenigstens konnte der Aeltere kein indianisches Blut in den Adern tragen, während der Jüngere, welcher unzweifelhaft sein Sohn war, die scharfen Züge und den dunklen, hier von den Sonnenstrahlen noch vertieften Teint zeigte, welcher Personen charakterisirt, die von einem kaukasischen Vater und einer kupferhäutigen Mutter abstammen.
Tiburcio mußte sich bei ihrem Anblicke alle Mühe geben, einen Laut des Schreckens zu unterdrücken. Er kannte diese zwei Männer nur zu gut; sie waren von Kanada bis nach Mexiko und Yukatan berüchtigt und gefürchtet, sprachen alle Zungen und hatten auch in jeder Sprache ihren besonderen Namen. Der Alte hieß französisch Main-Rouge, bei den Amerikanern Red-Hand und bei den spanisch sprechenden Mittelamerikanern Mani-Sangriente; der Jüngere, welcher eine Indianerin zur Mutter hatte, wurde in Kanada Half-Breed, in den Vereinigten Staaten Sang-Mele und in Mexiko und bei den Apachen El Mestizo genannt.
Es gibt Weiße, welche das wilde Leben der Indianer annahmen und zu Renegaten der Civilisation wurden. Sie schlossen mit indianischen Frauen eine wilde Ehe und riefen eine gekreuzte oder gemischte Rasse in das Leben, welche man Mestizen nennt und die sicher die Laster der weißen und rothen Menschen, nicht aber ihre Tugenden erbt.
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