Der Waldläufer
mitten in der Rede empor. Ein Schuß war gefallen, und die Kugel hatte Fabian das Haar gestreift.
In der nächsten Sekunde schon standen sie im nächsten Dickicht und spähten und horchten nach der Richtung hin, wo die Detonation stattgefunden hatte. Sie vernahmen den davoneilenden Hufschlag eines Pferdes.
»Das galt Euch, Fabian,« meinte Pepe.
»Sicher ist es dieser Cuchillo gewesen, welchen Estevan gesandt hat, meiner Spur zu folgen!« rief der Rastreador in höchster Wuth. »Ich werde – – –«
»Halt,« rief der Kanadier. »Erst denken und dann handeln! Der Mann war zu Pferde; das ist ein sicheres Zeichen, daß sie aufgebrochen sind. Nur die Brücke führt über den Fluß. Don Arechiza wird dort auf den Mörder warten, um sie nachher vielleicht zu zerstören. Pepe, wir dringen gerade durch die Büsche auf sie los, und Du, Fabian, verfolgst den Menschen zu Pferde; Du hast einen Umweg, und wir werden zu gleicher Zeit dort eintreffen. Vorwärts!«
Fabian riß den Lasso los, saß auf und jagte davon, Alles das Werk nur eines Augenblickes. Zerdrückte und zerknitterte Blätter, kleine, frisch abgerissene und zerbrochene Zweige und die Hufspuren im Boden zeigten seinem geübten Auge auf das Unzweideutigste, daß er den Verfolgten vor sich habe. Auf dem sandigen Wege angekommen, welcher in zahlreichen Windungen nach der Brücke führte, bemerkte er deutlich, daß es mehr als ein Reiter sein müsse; er ließ die Zügel schießen, gab dem Pferde die Zacken seiner Sporen in die Weichen und flog über das schwierige Terrain mit einer Geschwindigkeit dahin, welche beinahe derjenigen des Gedankens glich. Und dennoch vergingen Minuten, ehe er in die Nähe des Stromes gelangte.
Cuchillo hatte geglaubt, daß seine Kugel sicher ihr Ziel erreicht habe, und sich dann aus Angst vor den beiden furchtbaren Jägern schleunigst zurückgezogen. Sein Vorsprung war zu groß, als daß Fabian ihn trotz der Schnelligkeit seines Pferdes einzuholen vermocht hätte. Dieser stürmte
ventre-à-terre
dahin. Schon fing das Brausen des Waldstromes an, den lauten Galopp seines Pferdes zu übertönen, und bald ließen sich inmitten dieses Brausens auch menschliche Stimmen vernehmen.
Die ungestümen Sprünge eines Pferdes haben die Wirkung, daß sie die menschlichen Leidenschaften vermehren oder steigern; Pferd und Mann reagiren auf einander; das Herz des Menschen verfügt über stählerne Kniekehlen, das Thier aber erhebt sich bis zum Verständniß der Gefühle seines Reiters. Fabians Blut kochte. Der erneute Mordversuch hatte jede mildere Gesinnung aus seinem Herzen gedrängt, und er fühlte nur den einen Gedanken, seine Feinde zu erreichen und sie niederzuschmettern. An ihre überlegene Anzahl dachte er nicht.
Als er den letzten Busch hinter sich hatte und auf den Fluß zuflog, bot sich ihm ein Anblick dar, der seinen Grimm aufs Höchste stachelte.
Wie bereits gesagt wurde, verband eine aus zwei grob behauenen Baumstämmen bestehende Brücke die beiden Ufer, zwischen denen der Salto de Agua dahinbrauste. Die beiden Enden dieser Balken, deren Vereinigung so viel Breite bot, daß ein Pferd darüber gehen konnte, ruhten, durch sonst nichts festgehalten, auf dem nackten Felsen; einige starke Männer konnten daher diese Brücke zerstören und dadurch wegen der Entfernung der beiden Ufer den Uebergang an dieser Stelle zur Unmöglichkeit machen.
In dem Augenblicke, wo Fabian im Begriffe war, die Balken zu erreichen, zogen vier von ihren Reitern angetriebene Pferde aus Leibeskräften an der Brücke, welche durch straff angespannte Lasso’s mit den Sattelknöpfen verbunden war. Unter der Anstrengung der Pferde setzten sich die Balken in Bewegung, trennten sich und stürzten in den Strom hinab, daß das Wasser hoch aufspritzte, während die schnell freigemachten Riemen pfeifend dem Impulse der beiden Balken folgten.
Fabian stieß einen Wuthschrei aus. Arechiza hatte ihn erblickt. Auch er gerieth in Grimm darüber, daß der Rastreador seinem Anschlage zum zweiten Male entkommen war.
»Cuchillo, Ihr seid ein Schulknabe!«
»Sennor, der Teufel selbst muß diesen Menschen schützen, denn ich habe deutlich gesehen, daß meine Kugel – – –«
Er hielt inne. Die Andern brauchten nicht zu wissen, was er in den letztvergangenen Augenblicken mit Baraja und Oroche vorgehabt hatte.
»Kommt herüber, Sennor Tiburcio,« höhnte Arechiza. »Wir stehen im Begriffe, die Bonanza aufzusuchen!«
Fabian hatte sein Pferd bei dem Anblicke der zerstörten
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