Der Waldläufer
diejenige zu nennen, die sich jetzt der Weißen bemächtigte. Wer sollte das Kommando übernehmen, wer sollte gehorchen? Indessen hielt es Jeder für das Beste, sich an den Posten zu stellen, den er gestern eingenommen hatte.
Auf allen Gesichtern lag ein Ausdruck der Angst, den Keiner zu verbergen vermochte.
»Es sind nur sechs!« rief da eine Schildwache über die Verschanzung herein, und sofort begann sich der bereits gesunkene Muth wieder aufzurichten.
Die Indianer kamen, anstatt heranzugaloppiren und ihr Kriegsgeschrei zu erheben, ganz langsam und ruhig herbei. Einer von ihnen schwenkte seine Lanze, an welcher ein weißer Fetzen zur Darlegung ihrer friedfertigen Absichten hing.
Etwa zwei Büchsenschüsse entfernt vom Lager blieben die Uebrigen halten, während der Träger des Friedenszeichens näher kam und ohne Aufhören dasselbe hin-und herschwenkte.
Unter den Goldsuchern befand sich Einer, der aus dem Präsidio Tubac stammte. Er hatte früher als Händler einige Zeit mit den apachischen Stämmen verkehrt und kannte deren Sprache zur Genüge, um den an der Grenze gebräuchlichen spanisch-indianischen Dialekt nothdürftig zu verstehen und zu sprechen.
Benito trat zu ihm.
»Sennor Gomez, seht Ihr den Indianer dort?«
»Natürlich.«
»Und wißt Ihr, was er will?«
»Jedenfalls parlamentiren.«
»Nun wohl! Ihr seid unter uns der Einzige, welcher mit ihm reden kann. Geht ihm entgegen!«
»Ich werde mich sehr hüten, Don Benito!«
»Warum?«
»Hm, der Kerl sieht mir nicht aus, als ob mit ihm gut Kirschenessen sei.«
»So habt Ihr Furcht?«
»Don Benito, ich bitte Euch, mich nicht zu beleidigen, sonst stoße ich Euch diesen Dolch hier ein wenig zwischen die Rippen!«
Der alte, wackere Vaquero warf einen spöttischen Blick auf die kleine Gestalt von Gomez, welche ihm kaum bis an die Schultern reichte.
»Sennor Gomez, das würde Euch nicht leicht werden, denn ehe Ihr dazu kommt, zum Stoße auszuholen, habe ich Euch zwischen meinen Fingern zerquetscht und zerbrochen wie einen dürren Baumwollenzweig. Ihr habt Angst; das ist Euch deutlich anzusehen!«
»Angst? Fällt mir gar nicht ein! Aber seht Euch den Kerl doch genau an! Er sieht gerade wie ein Teufel oder Menschenfresser aus.«
»Ja, so ähnlich. Wie Ihr seht, ist er ein Häuptling und hat auf dem Kriegspfade die Pflicht, sich so abschreckend wie möglich herauszuputzen. Aber, blickt doch nur einmal schärfer hin. Seht Ihr nicht, daß er verwundet ist?«
»Wahrhaftig! Die ganze Schulter ist mit Riemen umwunden; er muß eine Kugel bekommen haben, und es ist zum Verwundern, daß er einen solchen Schmerz zu ertragen vermag.«
»Das bringt jeder Indianer fertig. Aber Ihr erkennt daraus, daß er uns nicht gefährlich sein kann. Geht hinaus zu ihm!«
Sämmtliche Gambusino’s hatten sich um die Beiden versammelt. Auch sie waren der Ansicht, daß Gomez als der einzige anwesende Sprachkundige die Wagenburg verlassen sollte, um mit dem Wilden zu verhandeln. Der zaghafte Mann ging nur nach langer Weigerung darauf ein. Es wurde ein Lappen hervorgesucht, welcher einst ein weißes Taschentuch gewesen war und jetzt die parlamentarische Flagge vorstellen mußte. So ausgerüstet schritt Gomez dem Indianer entgegen.
Dieser war kein Anderer als Schwarzvogel.
Alle Wilden sind große Bewunderer äußerer Schönheit. Als der Häuptling der Apachen den kleinen, magern Mexikaner auf sich zukommen sah, legte sich für einen Augenblick ein verächtlicher Zug um seine Lippen, doch nur für diesen kurzen Moment. Er war ein ebenso geschickter und schlauer Diplomat wie tapferer Krieger, und verstand es, jede Empfindung im Interesse seines Zweckes zu bemeistern.
Die beiden so verschiedenen Männer begrüßten einander, und der Schwarzvogel ergriff zuerst das Wort.
»Mein weißer Bruder mag mir sagen, ob er ein Häuptling ist. Der Vater der Apachen spricht nicht mit einem gewöhnlichen Krieger der Bleichgesichter.«
Gomez befand sich in keiner geringen Verlegenheit, und es dauerte einige Augenblicke, ehe er seine Antwort gab.
»Ich bin der Häuptling der weißen Männer. Mein rother Bruder kann getrost mit mir reden.«
Das schwarze Auge des Apachen leuchtete auf.
»Es wohnt bisweilen eine große Seele in einem ärmlichen Körper. Mein Bruder muß ein berühmter Häuptling sein. Aber weßhalb ist er mit seinen Kriegern in das Jagdgebiet der Apachen gekommen?«
Gomez war der Ansicht, daß er den eigentlichen Zweck ihrer Expedition nicht verrathen dürfe. Er suchte
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