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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sei er aus einer menschlichen Kehle gestoßen, und wurde von den Felsenwänden in gellenden Echo’s zurückgeworfen.
    Das hinter der Pyramide herabstürzende Wasser, welches eine Brücke von flüchtigem Silber über den Abgrund zu dehnen schien, oscillirte bisweilen in seinem Falle, und dann funkelte durch die irisirten Dünste hindurch ein heller, goldener Schein, welcher von einem Goldblock herstammte, den die hundertjährige Wirkung des Wassers blosgelegt hatte.
    Durch den feuchten Staub der Kaskade ohne Unterlaß gewaschen, erschien dieser Block in seinem ganzen, sinnberückenden Glanze. Er hatte die doppelte Größe der größten Kokosnuß und schien in Folge seiner bedeutenden Schwere jeden Augenblick seine Kieselhülle verlassen zu wollen, um in dem Abgrunde zu verschwinden.
    Cuchillo schien den Block durch das bloße Ausstrecken seines Armes erreichen zu können. Mit gierigen Blicken über den Abgrund hingeneigt, warf er die Hände diesem Reichthume, welcher das Lösegeld eines Königs bilden konnte, entgegen, ohne ihn erfassen zu können. Seine Brust schwoll zum Zerbersten und er drohte, der gewaltigen Gemüthsbewegung zu erliegen, wenn nicht ein zweiter, noch unartikulirterer Schrei dem eingepreßten Athem Luft gemacht hätte.
    Wie die Augen des Tigers die ahnungslose Beute zu verschlingen drohen, so funkelten diejenigen Cuchillo’s hinüber nach dem unschätzbaren Goldblocke, über welchen auf der Höhe des Felsens der Stamm einer jungen, grünen Eiche in einer Spalte wurzelte.
    »Er muß mein werden! Von hier aus ist dies unmöglich; ich muß sehen, ob die Eiche zu erreichen ist. An sie befestigte ich den Lasso und lasse mich dann hinab, um ihn herauszubrechen. Vorwärts; kein Krösus hat solch einen Block besessen!«
    Er eilte von der Pyramide hinab.
    In seiner Aufregung hatte er den Schall eiliger Pferdehufe überhört und die vier Reiter übersehen, welche um die nächste Felsenecke gebogen waren.
    Don Estevan mit Diaz, Baraja und Oroche hatten die Spuren Cuchillo’s nicht aus den Augen verloren. Besonders war es Diaz, der furchtbare Indianertödter, welcher hierbei einen Scharfsinn entwickelte, der die drei Andern in gerechtes Erstaunen versetzte.
    Er ritt mit Arechiza voran, während Baraja und Oroche in einiger Entfernung folgten.
    »Was meint Ihr, Sennor Diaz,« frug Don Estevan, »werden wir ihn erreichen, ehe er zur Bonanza kommt?«
    »Das kann ich nicht sagen, da mir die Lage der Bonanza unbekannt ist. So viel aber weiß ich, daß sein Vorsprung vor uns kein bedeutender mehr ist. Seht hier! Der Huf seines Pferdes hat ein Stückchen Thonschiefer zermalmt, und das Mehl davon ist liegen geblieben. Vor einer halben Stunde hat sich der Morgenwind gedreht. Hätte das Mehl vorher hier an der zugigen Stelle gelegen, so wäre es vom Winde aufgeblasen worden. Es sind also höchstens dreißig Minuten vergangen, seit er hier vorüber ist.«
    »Ihr seid ein tüchtiger Pfadfinder, Sennor Diaz, und habt der Expedition auch sonst sehr bedeutende Dienste geleistet. Bekommen wir das Placer, so werde ich mit Euch anders rechnen, als mit den Uebrigen.«
    Diaz schüttelte den Kopf.
    »Ich habe mich Euch nicht der Bonanza wegen angeschlossen, sondern um der Gelegenheit willen, mit den Rothen ein vertrauliches Wörtchen sprechen zu können. Euer Gold reizt mich nicht; es ist nur dazu da, den Menschen zu verweichlichen, zu verschlimmern und ihn in die Gewalt des Lasters und die Hände des Teufels zu bringen. Ich verzichte auf mein Antheil. Nehmt es für Euch oder gebt es den Anderen!«
    Dasselbe Gold bildete auch den Gegenstand des Gespräches zwischen den beiden Schelmen Baraja und Oroche.
    »Was meint Ihr wohl, Sennor Baraja,« meinte der letztere, »warum Don Estevan dem Cuchillo nachreitet, obwohl unsere Gegenwart in dem von den Wilden bedrohten Lager so nothwendig ist?«
    »Hm, ich habe allerdings so meine Meinung darüber. Ehe wir aufbrachen, habe ich den alten Benito gefragt, und Ihr wißt ja, Don Oroche, daß dieser Vaquero immer eine gute Ansicht zu haben pflegt.«
    »Welche Ansicht hatte er?«
    »Er hält Cuchillo für einen Spitzbuben, der nicht werth sei, daß sich ihm so brave und ehrliche Männer anvertrauen, wie wir sind.«
    »Dem stimme ich allerdings vollständig bei!«
    »Cuchillo hat die Verwirrung des Kampfes, den er ja selbst erst herbeiführte, benutzt, um sich aus dem Staube zu machen. Und wohin wird er gegangen sein?«
    »Nach der Bonanza, denke ich.«
    »Natürlich! Entweder will er sich

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