Der Waldläufer
eines wilden Thieres, welches sich auf Jemand stürzen will, und die Wuth hatte ihn in der Weise übermannt, daß er seine gewöhnliche Vorsicht vollständig vergaß.
»Euch gegenüber brauche ich das nicht zu leugnen. Arellanos war so dumm, mir die Bonanza zu verrathen, und mußte dafür in den Rio gehen. Das verstand sich ganz von selbst, und ein jeder Andere hätte es ebenso wie ich gemacht. Er war mir fremd, Donna Luisa de Mediana aber war Eure Schwägerin und – – –«
»Schweigt!«
»Nein, ich schweige nicht. Wir befinden uns hier in der freien Steppe und nicht auf dem Piratenschiffe, wo hinter Eurem Befehle der Tod stand. Ich heiße jetzt Cuchillo und nicht mehr Juan und habe gegen Euch nicht mehr die Verpflichtung wie damals, als Ihr mir gebotet, die Gräfin zu erdolchen. Ich sage Euch, Diaz Baraja und Oroche, daß dieser – – –«
»Schweigt, sonst erschieße ich Euch mit dieser meiner eigenen Hand!« gebot Arechiza, bebend vor Aufregung.
»Daß dieser Mann,« fuhr Cuchillo unbeirrt mit erhöhter Stimme fort, »der Graf Antonio de Mediana ist, der seine eigene Schwägerin ermorden ließ und ihren Sohn, den kleinen Fabian de Mediana, auf der See aussetzte, um – – –«
Der Schuß Don Estevans krachte. Cuchillo hatte während des Sprechens das Auge scharf auf den Zeigefinger des Grafen gehalten und sich, sobald er den Drücker berührte, zur Seite geworfen. Die Kugel flog hart an seinem Kopfe vorüber.
»Schießt, schießt doch!« gebot Arechiza den drei Andern.
Baraja und Oroche wollten diesem Gebote Gehorsam leisten, sahen sich aber durch Diaz verhindert. Dieser schlug die Läufe ihrer Gewehre nieder und sprang zwischen Don Estevan und Cuchillo, um einem Zusammenpralle derselben zuvorzukommen.
»Halt, keinen Schuß!« rief er.
»So schlage ich ihn nieder!« schäumte Arechiza.
»Das mögt Ihr thun, wenn es Euch nicht anders beliebt; zuvor aber wird mir Sennor Cuchillo einige Fragen beantworten!«
»Wie, Ihr wollt mir Widerstand leisten, Diaz?«
»Nein. Vergangene Dinge und Alles, was Ihr mit Cuchillo habt, geht mich nichts an; aber in Beziehung der Bonanza werde ich mir einige Auskunft holen müssen.«
»So fragt ihn!« meinte Arechiza beruhigt, da er die Absicht des Indianertödters nicht im Geringsten ahnte.
»Diaz stemmte den Kolben seines Gewehres auf die Erde, legte die Arme über die Mündung des Laufes und stellte sich fest und breitspurig Cuchillo gegenüber. In seiner malerischen Kleidung und dieser Stellung hatte er ganz das Aussehen eines Mannes, welcher sehr genau weiß, was er will.«
»Sennor Cuchillo, ich denke, Ihr kennt mich ein wenig!«
Der Angeredete zog vor, zu schweigen, und Diaz’ Vorhaben erst kennen zu lernen.
»Ich bin ein Mann,« fuhr dieser fort, »der für jede Rothhaut eine Kugel hat, aber niemals eines Weißen Richter ist, wenn dieser mich thun läßt, was mir gefällt. Dies will ich Euch zu Eurer Beruhigung sagen. Auch will ich nicht nach der Bonanza forschen, denn ich glaube, ich habe kein Recht, auch nur den geringsten Theil von ihr zu besitzen. Aber das könnt Ihr mir wohl sagen: Hat Marcos Arellanos sie vor Euch gekannt?«
»Ja.«
»Warum hat er sie nicht gehoben?«
»Die Indianer hinderten ihn.«
»Dann hat er Euch sein Geheimniß mitgetheilt?«
»Ja.«
»Und Euch mitgenommen, um sie mit ihm auszubeuten?«
»So ist es. Wir mußten wieder fliehen und – er starb unterwegs.«
»Er starb! Das ist wenig und auch viel. Wißt Ihr vielleicht, daß er einen Sohn hat?«
»Ihr meint Tiburcio Arellanos? Ihr wißt doch, daß ich ihn kenne!«
»Allerdings, Sennor Cuchillo. Ich mag meine Fragen vielleicht nicht genau so aussprechen wie andere Leute, aber das thut nichts zur Sache. Ich glaube, Ihr seid viel in der Welt herumgekommen. Kennt Ihr vielleicht die Gesetze der Berge, der Savanne und das stillschweigende Uebereinkommen aller braven und ehrlichen Gambusino’s?«
»Ich denke!«
»Gut! So wißt Ihr auch, daß jede Bonanza ohne Widerrede dem gehört, der sie entdeckt hat, außer es kommt, wenn er an der Ausbeutung verhindert wurde und sich entfernte, ein Anderer, der sie ebenso entdeckte – versteht Ihr wohl, entdeckte!«
»Was wollt Ihr damit sagen, Sennor Diaz?«
»Daß wir nicht ausgezogen sind, die Bonanza hier zu entdecken, sondern sie aufzusuchen, und darin liegt ein großer Unterschied. Ihr hattet kein Recht, Don Estevan Euer Geheimniß mitzutheilen, denn es gehörte nicht Euch, sondern dem Erben von Marcos
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