Der Waldläufer
Arellanos.«
»Tiburcio?« frug Cuchillo verwundert.
»Tiburcio!« bekräftigte Diaz.
»Seid Ihr wahnsinnig, Sennor?«
»Ich bin so vollständig bei Sinnen, daß mir selbst Eure Millionen nicht die Ueberlegung rauben können.«
»Marcos Arellanos hat mich zum Eigenthümer des Geheimnisses gemacht, und ich konnte also damit thun, was mir beliebte.«
»Ihr irrt Euch,« antwortete Diaz mit einer Ruhe, als handle es sich um einen vollständig werthlosen Gegenstand. »Marcos Arellanos hat Euch das Geheimniß nicht geschenkt, sondern nur anvertraut – versteht Ihr wohl, anvertraut! Wäret Ihr dieses Vertrauens würdig gewesen, so hättet Ihr im Falle der Ausbeutung Gold erhalten, welches nicht etwa Euer rechtmäßiger Antheil, sondern nichts anderes als ein allerdings sehr hoher Arbeitslohn gewesen wäre. Durch die Ermordung von Marcos Arellanos seid Ihr unrechtmäßiger Besitzer des Geheimnisses geworden. Von der Bonanza gehört Euch höchstens so viel, als Tiburcio Euch für die Mittheilung des Geheimnisses bieten würde. Ich erkläre hiermit, daß nur ihm allein das Placer gehört. Waret Ihr ein redlicher Mann, Sennor Cuchillo, so dachtet Ihr nicht eher an eine Expedition, als bis Ihr mit ihm gesprochen hattet!«
»Ihr seid wirklich so sehr bei Sinnen, daß Ihr einen mehr habt als andere Leute!« spottete Cuchillo trotz der mißlichen Lage, in welcher er sich befand.
»Wenn Ihr die Ehrlichkeit oder das Gewissen nennt, so habt Ihr allerdings Recht,« entgegnete Diaz kalt. »Ich an Eurer Stelle hätte gerade so gehandelt, wie ich sage. Ihr könnt zwar thun und lassen, was Euch gefällt, nun ich aber weiß, daß Marcos Arellanos der erste Entdecker der Bonanza war und durch Eure Hand gefallen ist, halte ich sie für das Eigenthum seines Sohnes und werde mich nicht an dem kleinsten Flimmerchen des Goldes vergreifen!«
»So sagt Ihr Euch von uns los oder wollt vielleicht gar diese vermeintlichen Rechte des Tiburcio Arellanos vertheidigen?« frug jetzt Arechiza, welcher der eigenthümlichen Verhandlung mit Spannung gefolgt war.
»Die Arellanos sind mir nicht verwandt. Ich habe weder Marcos Tod zu rächen noch für die Rechte seines Sohnes zu kämpfen und bleibe also bei Euch, so lange Ihr mir nicht zumuthet, etwas zu thun, was zur Erlangung des Goldes führen soll. Mein Gewehr also wird Cuchillo nicht zwingen, die Bonanza zu verrathen!«
Cuchillo athmete erleichtert auf; Baraja und Oroche blickten mit stillem Erstaunen auf den Mann, der so unbegreifliche Ansichten an den Tag legte, Don Estevan aber entgegnete, schwankend zwischen Spott und Zorn:
»Laßt mich Euch bewundern, Sennor Diaz! Ihr aber, Cuchillo, seid jetzt nicht besser daran als vorher. Wo ist die Bonanza? Eure fünf Minuten sind bereits abgelaufen!«
Auf einen Wink von ihm erhoben Baraja und Oroche ihre Gewehre wieder. Diaz trat zurück und musterte scheinbar theilnahmslos die Umgebung; es war ihm jetzt gleich, ob der Mörder eine Kugel erhielt oder nicht.
Eines der hinter der Felsenecke stehenden Pferde wieherte; Cuchillo vernahm den Ton und wußte nun, wo sein Thier sich befand. Er maß mit dem Auge die Distanz, welche er zu durchlaufen hatte. Aber Arechiza war ein scharfsichtiger Gegner. Auch er hatte das Wiehern vernommen, und als er den Blick Cuchillo’s bemerkte, ahnte er sofort dessen Absicht und verlegte ihm, die Büchse zum Schusse bereit haltend, den Weg.
»Glaubt ja nicht, uns zu entkommen! Wo ist die Bonanza?«
»Ich weiß es nicht!« behauptete knirschend Cuchillo.
Er hatte seinen Karabiner am Sattelknopfe seines Pferdes gelassen und sah sich mit dem Dolche den auf ihn gerichteten Büchsen wehrlos gegenüber.
»Und dennoch,« behauptete Arechiza, »werden wir in wenigen Augenblicken das Placer wissen oder Ihr seid todt. Ich zähle bis Drei; bei Drei drücken wir los.«
Cuchillo strengte sein Gehirn vergebens nach einem Auswege an.
»Eins!«
Der Schweiß trat auf Cuchillo’s Stirn, aber er schwieg.
»Zwei!«
Es flimmerte dem Bedrängten vor den Augen. Eins mußte er lassen, das Leben oder das Gold, und Beides hatte einen beinahe gleichen Werth für ihn.
»Dr – – –!«
»Halt!« keuchte er. »Ihr sollt es erfahren!«
»Keine Sekunde zu früh, Cuchillo,« lächelte Don Estevan. »Es muß ein außerordentliches Placer sein, da Ihr um seinetwillen Euch den Tod so nahe treten laßt!«
Cuchillo antwortete nicht. Wie im Traume trat er zu dem grünen Vorhange, welcher das Goldthal verhüllte, und schob die Schlinggewächse
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