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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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hinüber. Wenig später trat das Zigeunermädchen an den Doctorus heran und sprach mit gesenkter Stimme: »Da ist eine junge Frau, sie behauptet, sie sei im vierten Monat schwanger.«
    »Ja, und?« Bombastus Sanussus nahm einen Schluck Wasser, denn das laute Reden ging auf die Stimme. Er ahnte, was kommen würde. Wahrscheinlich wollte das Mädchen ein Abtreibungsmittel, und das war immer eine delikate Sache. Man konnte in Teufels Küche kommen, wenn die Kirche herausbekam, dass man mit Emmanagoga, mit menstruationsfördernden Mitteln also, Schindluder trieb. »Seid Ihr sicher, dass die Kleine dichthalten wird, wenn Ihr das Mittel abgebt?«
    »Ich glaube ja. Sie wirkt sehr verzweifelt.«
    »Gut, gut.« Wie zufällig streifte seine Hand über Tirzahs Hüfte. Er fühlte glatte, elastische Haut unter ihrem Rock. Ein Schauer durchrieselte seine Lenden.
    »Gebt ihr vom Sadebaumpulver, aber nehmt kein Geld dafür, so kann ich später sagen, ich hätte diesem Mädchen nie etwas verkauft.«
    »Jawohl, Doctorus.« Tirzah verschwand hinter das Podest, wo eine hoch gespannte Decke vor neugierigen Blicken schützte. Hier pflegte sie die Frauen zu behandeln, die mit Unterleibsleiden zu ihr kamen.
    Das schwangere Mädchen war ein blasses Ding, höchstens siebzehn Jahre alt, das mit den Nerven am Ende war. Es hatte verweinte Augen und knüllte nervös ein Taschentuch in der Hand.
    »Hier«, sagte Tirzah, »nimm das heute Nachmittag und heute Abend ein. Wenn du morgen früh noch nichts spürst, nimmst du es noch einmal.« Sie drückte dem Mädchen ein Gefäß in die Hand, in dem sich ein grünbraunes Pulver befand.
    »Danke.« Die Kleine war den Tränen nahe. »Der Herr segne Euch! Aber was ist das überhaupt?«
    »Es sind die Triebe des Sadebaums, man nennt ihn auch Jungfernpalme. Die Triebe wurden zu Pulver zerstoßen. Du machst dir damit einen Aufguss, am besten, du nimmst zwei Löffel auf einen Becher, aber merke dir: Das Wasser darf nicht kochen, sonst würden zu viele Wirkstoffe zerstört. Und lass den Aufguss eine Weile ziehen, bevor du ihn trinkst. Hast du alles verstanden?«
    »Ja, danke. Danke!«
    Tirzah schob die Kleine schnell beiseite, um sie unauffällig loszuwerden, doch ihr fiel noch etwas ein:
    »Wenn das Kind abgeht, wird es tot sein, und du wirst vielleicht große Schmerzen haben, hier, nimm das noch dazu.« Sie ergriff eine von den zahlreichen vorpräparierten Flaschen Balsamum vitalis und gab sie dem Mädchen.
    »Das Balsamum enthält Opiumsaft, es gibt nichts Wirksameres gegen Geburtsschmerzen, aber nimm nur jeweils einen winzigen Schluck, damit du bei Bewusstsein bleibst.«
    »Was bin ich Euch schuldig?«
    »Nichts. Viel Glück!«
    Als Tirzah zum Podest zurückkehrte, sah sie, wie einige Bürger einen hölzernen Käfig herbei trugen. Darin hockte ein Mann von mittleren Jahren, hilflos zusammengekrümmt und ständig sabbernde Laute ausstoßend. Er hatte graue, strähnige Haare und einen wässrigen Blick. Sein Mund grinste blöde, während seine Hände die Gitterstäbe wie ein Affe umklammerten. Die Stadtbewohner setzten den Käfig auf das Podest. Der vorderste der Träger, ein stämmiger Kerl mit Vollbart und eng zusammenstehenden Augen, deutete eine Verbeugung an. »Doctorus«, sagte er so laut, dass alle ihn verstanden,
    »wir bringen Euch hier Ramon.« Seine Hand fuhr durch die Gitterstäbe und packte den Schwachsinnigen bei den Haaren. Dann bog er den Kopf so weit zurück, dass Bombastus Sanussus bequem in das Gesicht sehen konnte.
    »Ramon ist von Geburt an blöde, weshalb er in der ganzen Stadt nur der »dumme Ramon« genannt wird. Wir haben nun gehört, dass Ihr auch einer Gauklertruppe vorsteht, und wir dachten, dass man Ramon dort zur Schau stellen könnte. Was haltet Ihr davon?«
    Der Doctorus runzelte die Stirn, doch ehe er zu einer Antwort kam, hatte Arturo sich dazwischen geschoben:
    »Senor«, sagte er zu dem Vollbärtigen, und nur wer ihn kannte, merkte, wie empört er war, »die von Euch eben erwähnte Gauklertruppe hat keinen Vorsteher, aber einen Wortführer, und den seht Ihr vor Euch. Man nennt mich Arturo, und im Namen der Artistas unicos lehne ich Euer Ansinnen ab.« Er holte tief Luft und fuhr fort: »Wir Spielleute vertreten die Meinung, dass jedes menschliche Leben eine Würde hat, egal, wo und in welcher Form es uns begegnet.«
    »Tja, also ...« Durch den Umstand, dass er es plötzlich nicht mehr nur mit dem Doctorus zu tun hatte, war der Vollbärtige aus der Fassung gebracht. »Also

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