Der Wanderchirurg
... Ihr müsst wissen, dass der dumme Ramon die Stadt im Laufe der Jahre schon eine hübsche Stange Geld gekostet hat, bedenkt nur, dass er täglich seine Mahlzeiten braucht und dass ständig jemand seinen, äh ... Unrat fortmachen muss. Die Stadt kann sich das einfach nicht mehr leisten und ein Manicomio, ein Irrenhaus, erst recht nicht.«
»Aber, aber!« Die Miene des Doctorus war voller Verständnis. »Wenn ich mir den Mann genau anschaue, dann sitzt ihm der Narrenstein direkt unter der Kalotte. Was wäre es Euch wert, wenn ich ihn herausoperierte?«
Der Vollbärtige öffnete den Mund und blickte ratlos seine Kameraden an.
»Euer Ramon wäre nach der Extraktion des Narrensteins in weniger als zwei Wochen geheilt, könnte wieder einer Arbeit nachgehen und würde der Stadt nicht mehr zur Last fallen«, setzte der Doctorus nach. »Ich denke, das ist einen Silberpeso wert, was meint Ihr?«
Der Vollbärtige besprach sich mit seinen Männern, dann nickte er. »Wir können den Alcalden zwar jetzt nicht fragen, Doctorus, aber wir sind sicher, dass er das Geld aus dem Stadtsäckel bereitstellen wird. Wir werden die Summe vorab auslegen.«
»Wohlan denn! Hebt ihn heraus und setzt ihn auf meinen Operationsstuhl, fesselt seine Brust an die Lehne und haltet ihn an allen vier Gliedmaßen fest!«
Die Männer beeilten sich, seine Anweisungen zu befolgen. Problemlos hoben sie den Schwachsinnigen heraus, der nicht wahrzunehmen schien, was mit ihm geschah. Er lächelte weiter blöde und stieß sabbernde Laute aus. Ohne sich darum zu kümmern, nahm der Doctorus eine große Schere zur Hand und begann das Haupthaar vollständig abzuschneiden. Nur am Hinterkopf ließ er ein paar Strähnen stehen. Als dies getan war, tauchte er einen Pinsel in eine senffarbene Flüssigkeit und bestrich damit die Schädeldecke. »Dieses Narkotikum wird für eine lokale Betäubung sorgen!«, rief er laut in die Menge.
Tirzah hielt inzwischen ein kleines Skalpell bereit, doch der Doctorus winkte ab. »Gib mir das große«, flüsterte er,
»die Leute sollen sehen, was ich in der Hand halte.« Sie holte das große Skalpell. Es hatte einen sichelförmigen Griff und eine sechs Zoll lange Klinge.
»So, Ihr guten Leute, die Operation beginnt!« Rasch zog Bombastus Sanussus einen Schnitt von der Stirn bis zum Hinterkopf. Der Schwachsinnige schrie auf vor Schmerzen, doch starke Arme hielten ihn fest. Ein zweiter Schnitt folgte, quer zum ersten, sodass beide Schnitte ein T
bildeten. Blut lief in Strömen zu beiden Seiten des Schädels herab und besudelte die Männer. Ramon wimmerte und versuchte zuckend, sich aus der Umklammerung zu befreien.
»Ein T-förmiger Einschnitt bringt uns den Narrenstein zum Greifen nah!«, kommentierte der Operateur sein Tun. Er gab das Skalpell Tirzah, in deren Hand kurz zuvor etwas gewesen zu sein schien, doch niemand hatte darauf geachtet. Bombastus Sanussus riss mit einer unerwarteten Bewegung den Kopf des Irren nach hinten, sodass die Schädeldecke für niemanden einsehbar war. »Die Hautlappen werden auseinander geklappt!«, schrie er.
»Und hervor kommt schon der ...«, er machte eine dramatische Pause, »Narrenstein!« In seiner Hand tauchte ein taubeneigroßer Stein auf, der aussah wie ein ganz gewöhnlicher Kiesel. Die Menge klatschte Beifall. Der Schwachsinnige atmetete stoßweise. »Jetzt nur noch zwei Ligaturen genäht!«, rief der Doctorus, während er schon mit Nadel und Faden hantierte. »Anschließend einen Leinenverband angelegt, und schon ist der Fall erledigt!«
Kurz danach richtete er sich auf. »Setzt ihn wieder in den Käfig zurück«, befahl er den Männern in normaler Lautstärke. »Sein Gehirn braucht bis zur vollständigen Regeneration noch mehrere Tage. Solange wird er auf den Unkundigen noch wie ein Schwachsinniger wirken.«
»Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet, Doctorus«, sagte der Vollbärtige herzlich, während seine Kameraden den Käfig davontrugen.
»Nicht der Rede wert, junger Freund. Meine Assistentin nimmt Euren Obolus entgegen.«
»Unser Vater hat Fell vor dem Auge, Herr Doctorus.«
Zwei Männer, denen man ansah, dass sie Brüder waren, halfen einem Greis auf das Podest. »Er sieht auf dem rechten Auge so schlecht, dass er nur noch hell und dunkel unterscheiden kann.«
Vitus und der Magister schätzten den Vater auf weit über siebzig.
Der Alte, ein einfacher, armselig gekleideter Mann, tastete sich zu einem Stuhl. Bombastus Sanussus legte ihm jovial die Hand auf die
Weitere Kostenlose Bücher