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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Wegrand erblickten, beschloss Vitus Halt zu machen. »Ich glaube, hier ist es schön, lass uns den anderen Bescheid sagen.«
    Kurz darauf war die Wagenburg wieder gebildet, und die Gaukler beobachteten, wie der Doctorus Bombastus Sanussus sich mit einem Stapel seiner Nuntiationes zu Pferde nach Rondena aufmachte. In seiner Begleitung befand sich Arturo, der beim Alcalden eine Genehmigung für ihren Aufenthalt in der Flussniederung erwirken wollte.

    »Hochverehrtes Publikum ...!«
    Der Doctorus stand auf einem Holzpodest und hielt eine Ansprache an das neugierige Volk, das aus Rondena herbeigeströmt war. Es war gegen 11 Uhr morgens.
    »... Senoras und Senores! In mir erblicken eure Augen den approbierten und examinierten Doctorus medicinae Bombastus Sanussus, sess-und wohnhaft zu Toledo, von wo er gekommen ist, um jedermann, ob arm, ob reich, von Schmerz und Pein, gleich welcher Art, zu befreien! Nicht lange gezögert, ihr guten Leute, und die Umstände genannt, die euch zwicken, meldet euch gleich jetzt und hier, meldet euch bei mir, dem hochgerühmten Doctorus Bombastus Sanussus, der schon die Ehre hatte, Seine Königliche Hoheit Don Carlos, den Sohn unserer Allerkatholischsten Majestät, in Madrid vom unheilbaren Aussatz zu befreien ...«
    »Glaubst du, dass unser Doctorus den Königssohn wirklich vom Aussatz geheilt hat?«, fragte der Magister interessiert. Er stand mit Vitus vorn in der Menge und verfolgte den Auftritt des Doctorus.
    »Dass ich nicht lache. Aussatz ist seit Menschengedenken im Palacio Escorial nicht vorgekommen.«
    Nacheinander ergriff der Doctorus jetzt einzelne Fläschchen und Tiegel aus einer Unzahl verschiedenster Arzneien, die er auf der Vorderkante des Podests in Reih und Glied aufgestellt hatte, und bot sie lautstark an. Dann schob er Tirzah, die neben ihm gestanden hatte, einen halben Schritt vor. Die junge Zigeunerin verbeugte sich würdevoll und trat dann wieder zurück. »Weil auch das weibliche Geschlecht vielen Krankheiten unterworfen ist und durch seine Schamhaftigkeit es oftmals versäumt, den Heilkundigen zu konsultieren, wird hiermit bekannt gemacht, dass meine Assistentin, Senora Tirzah, in der Urinschau wohlbewandert ist und darüber hinaus auch die Urinwahrsagerei trefflich beherrscht! Wohlan, ihr guten Leute, bringt euren Urin, und euch soll alsbald geholfen werden ...«
    Er blickte suchend in die Runde. Doch keiner aus der inzwischen auf über hundert Personen angewachsenen Menge traute sich nach vorn. Der Doctorus zuckte mit den Schultern. Aus Erfahrung wusste er, dass die Gaffer erst weich geredet werden mussten. Sie würden schon kommen, da war er sicher ...
    »Außerdem führe ich mit mir einen weltberühmten Geheimtrank, genannt Balsumum vitalis der nicht allein innerlich, sondern auch äußerlich von unfehlbarer Wirkung ist: bei Reißen, Grimmen und Schmerzen des Leibes, bei Kolik, Durchlauf, weißer und roter Ruhr ... wer also leidet, der nehme fünfundzwanzig Tropfen auf einen Löffel Honig ...«
    Er schwenkte eine Flasche mit leuchtend grünem Inhalt und träufelte daraus die Flüssigkeit auf einen großen Zinnlöffel: »Eins, zwei, drei, vier, fünf..,« Als die Tropfen abgezählt waren, blickte er wieder ins Publikum:
    »Nun, ihr guten Leute, wen plagt es an Seele oder Körper? Nur frei heraus mit der Sprache, die erste Behandlung ist für Gotteslohn! Niemand? So appliziere ich mir das Balsamum vitalis selbst, denn schließlich wirkt es auch gegen aufkommenden Ärger, verursacht durch hasenfüßige Patienten!«
    Die ersten Zuschauer lachten. Schwungvoll gab der Doctorus sich selbst den Löffel. »Aaahh! Das nenne ich Wohlgeschmack! Was ein rechtes Balsamum ist, das wirkt nicht nur, das kitzelt auch den Gaumen!«
    Weitere Leute lachten. Die Menge wurde zutraulicher. Bald habe ich euch so weit, dass ihr mir aus der Hand fresst!, dachte der Doctorus zufrieden. Seine scharfen Augen hatten eine gebeugte Alte erblickt, die sich beständig die Hände knetete.
    »Was habt Ihr mit den Händen, Mütterchen?«, fragte er.
    »Lasst mich raten: Euch plagt die Gicht, und Ihr habt schon allerhand Kräutlein dagegen angewandt, aber nichts hat geholfen. Stimmt's?«
    Die Alte nickte scheu. Bombastus Sanussus sprang elastisch von seinem Podest herab, ergriff das Mütterchen beim Arm und half ihm zum Gerüst hinauf. »Nun, Abuela!«, hob er mit so lauter Stimme an, dass er sicher sein konnte, auch in der allerletzten Reihe gehört zu werden, »Euch kann wie folgt geholfen werden:

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