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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Zehn-Personen-Tischs saß, klatschte höflich den Musikanten zu, die für einen Augenblick pausierten. »Was war das für ein Stück? Ich kenne es nicht.«
    »Das Stück heißt Who shall me let?, Sir. Man hört es in jüngster Zeit häufig bei Hofe«, antwortete der Flötist.
    »Soso.« Taggarts Interesse hatte bereits nachgelassen.
    »Man tanzt die Volta danach, Sir. Das ist ein neuer, schneller, recht gewagter Springtanz, bei dem die Partner einander anfassen. Ihre Majestät soll ihn besonders schätzen.«
    »Tanzen, brrr, ich hasse Tanzen!« Taggart schüttelte sich. »Ein Gehopse, das ausschließlich dazu erfunden wurde, fremde Frauen anfassen zu dürfen, ohne dass einem gleich der Ehemann aufs Dach steigt.« Er besann sich.
    »Immerhin, wenn unsere Lady diese, äh ... Volta schätzt, soll es mir recht sein.«
    »Noch etwas von dem gewürzten Pökelfleisch, Sir?« Tipperton, der an diesem Abend zum Butler umfunktioniert worden war, hielt Taggart ein dampfendes Tablett hin. »Es wären auch noch Klöße da.«
    »Nein, ich platze bereits. Gebt lieber den jungen Leuten.« Taggart deutete auf Vitus, den Magister, John Fox und den Zwerg. »Wir älteren Semester halten uns lieber an Hochprozentiges, was, Doktor?« Er griff zur Brandykaraffe und schenkte dem Arzt kräftig ein.
    »Danke, Sir.« Hall wirkte recht munter. Er schien seinen verlorenen Beißwerkzeugen nicht nachzutrauern, denn ohne sie hatte er einen Grund mehr, sich der flüssigen Nahrung zu widmen.
    Taggart bediente auch Fernandez reichlich. »Auf unsere Königin! Gott schütze sie!«
    »Auf die Königin!« Alle erhoben sich und prosteten sich zu. »Noch etwas von dem blau geäderten Schimmelkäse, Sir? Der Koch hat extra weißes Brot dazu gebacken.« Tipperton war schon wieder da.
    Taggart winkte ab und schenkte neu ein. Der Trinkspruch auf die Königin wiederholte sich.
    »Wenn das so weitergeht, sind wir bald alle blau wie die Veilchen«, flüsterte der Magister Vitus zu.
    »Was sagtet Ihr, Magister Garcia?« Taggart schätzte es nicht, wenn an seinem Tisch geflüstert wurde. »Sprecht nur recht laut, damit wir alle etwas davon haben.«
    »Tja, äh ... Sir«, schaltete der kleine Gelehrte schnell,
    »ich sagte gerade, dass der Wind aufgefrischt hat.« Der Informationsgehalt seiner Erklärung war allerdings gering, denn seit der Begegnung mit dem fremden Schiff, das sich als schwach bewaffneter englischer Kauffahrer herausgestellt hatte, war der Wind stetig stärker geworden. Die »Phoenix« so hieß das Schiff, war auf dem Weg in die Neue Welt, wo Baldwin, ihr Kapitän, gute Geschäfte zu machen hoffte. »Ich danke Euch für diese überraschende Information, Magister Garcia.« Der ironische Unterton in Taggarts Stimme war nicht zu überhören. »Immerhin: Tipperton, geht hinaus und schickt mir Maat McQuarrie her.«
    Als der Schotte wenige Augenblicke später auf der Bildfläche erschien, erblickte er einen festlich gedeckten, sich unter diversen Speisen biegenden Tisch, der sanft im Kerzenschein schimmerte. So gut müsste es unsereiner auch mal haben!, dachte er, während er laut sagte: »Melde mich wie befohlen, Sir.«
    »Danke, McQuarrie. Wollte wissen, ob draußen alles seine Ordnung hat.«
    »Wir haben nur noch Mars-und Bramsegel
    angeschlagen, Sir. Wenn's noch mehr bläst, müssen wir weiteres Tuch wegnehmen, ich schlage vor, die Marse. Die Lateiner sind auch schon runter.«
    »Sehr schön. Der Erste Offizier oder ich werden später an Deck kommen und nach dem Rechten sehen.« Taggart musterte den Schotten freundlich. »Sorgt unterdessen dafür, dass eine Extraration Brandy an die Wache ausgegeben wird, sie wird's brauchen bei dem Wetter.«
    McQuarrie straffte sich. »Aye, aye, Sir. Danke, Sir!«
    »Gut. Wegtre ...«
    Unvermittelt brach Taggart ab, denn ein überkommender Brecher war krachend auf das Backsdeck geschlagen und hatte das Schiff in sämtlichen Verbänden erzittern lassen. Taggart verzog keine Miene. »Es braut sich tatsächlich was zusammen. John, seid so freundlich und begleitet McQuarrie an Deck. Ich denke, wir sollten jetzt gleich Tuch wegnehmen.«
    »Aye, aye, Sir.« Der Hüne sprang auf.
    »Und noch etwas: Je einen Mann zur Verstärkung in den Ausguck und ans Ruder. Sorgt dafür, dass Strecktaue auf dem Oberdeck gespannt werden. Ich will keinen Mann in der Kühl verlieren. Alle Verkeilungen und Verzurrungen sind nochmals zu überprüfen, besonders die Haltetaue der Kanonen. Die Freiwache soll sich bereithalten für den Fall, dass

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