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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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wenig aus, besonders in der englischen. Würdet Ihr so freundlich sein und Rock und Hemd ablegen?«
    Vitus zögerte.
    »Nur zu«, fistelte der Zwerg eifrig. »Runter mit der Rinde!«
    »Sir, gestattet Ihr?«
    »Keine Einwände.« Taggart machte eine großzügige Geste. »Nuda veritas, wie Ihr lateinischen Doctores zu sagen pflegt, »die nackte Wahrheit«, sie möge ans Licht kommen.«
    Als wenige Augenblicke später das goldgestickte Wappen vor Halls Augen erstrahlte, sagte der alte Arzt lange Zeit nichts; aufmerksam studierte er die feinen Details: den fauchenden Löwen, das stilisierte Schiff in der Kugel, die symmetrisch angeordneten Segel mit dem Schwert und dem Kreuz darin.
    »Collincourt«, meinte Hall endlich.
    »Wie bitte?«
    »Collincourt«, wiederholte der Arzt. »Es kann kein Zweifel bestehen, dass es sich um das Wappen der Collincourts handelt.«
    »Wisst Ihr mehr über die - Collincourts?« Vitus versuchte, seine Anspannung zu verbergen, während er sich hastig wieder ankleidete.»Nicht sehr viel. Nur dass es ein altes Geschlecht ist, das eine Reihe berühmter Seefahrer hervorgebracht hat.« Hall besann sich. »Das Seestück aus dem Ingles könnte demnach einem Collincourt gehört haben, wie es allerdings nach Spanien gekommen ist, weiß Gott allein.«
    »Und wo leben die Collincourts? Könnt Ihr auch das beantworten?«
    »Nicht präzise. Es heißt, sie hätten einen Familiensitz in West-Sussex, in den South Downs nahe der Kanalküste. Den genauen Standort müsstet Ihr erfragen, wenn Ihr auf englischem Boden seid.«
    »Vitus Collincourt!« Der Magister hob sein Glas. »Das klingt nicht schlecht. Mit Eurer Erlaubnis, Captain Taggart, trinke ich auf den Mann, von dem wir jetzt wissen, wie sein Nachname lautet.«
    »Cheers!« - »Salud!« - »Assusso, knäbbig, knäbbig!«
    »Vielleicht ist es wirklich mein Nachname, Magister«, sagte Vitus. »Vielleicht aber auch nicht.« Er spürte die Furcht vor der Enttäuschung, falls die Spekulationen sich als Luftschlösser erweisen sollten. Solange er keine Gewissheit hatte, wollte er nicht daran glauben. Und doch: Schon jetzt faszinierte ihn der Gedanke, ein Collincourt zu sein.
    »Nun ja.« Taggart kam wieder auf den Boden der Tatsachen. »Ihr werdet einsehen, Cirurgicus, dass wir Euretwegen nicht extra nach England zurücklaufen können. Unser Ziel sind die spanischen Gold-und Silberschätze, und ich will für alle Ewigkeiten in der Hölle schmoren, wenn ich sie nicht erwische !«
    »Das verstehe ich, Sir.«
    »Falcon, hooo! Schiffe Steuerbord voraus! Schiffe!«
    »Wie viele sind es?« Taggart, der sich mit Vitus und Fernandez auf dem Kommandodeck neben dem Flaggenstock befand, legte den Kopf in den Nacken, um den Ausguck im Hauptmars besser sehen zu können.
    »Ich glaube drei, Sir! Gerade sehe ich, dass sie sich beschießen, Sir!«
    »Was, die beschießen sich? Medusen-und Gorgonenschiss!« Taggart fluchte mit Inbrunst. »Mister Fox!«
    »Zur Stelle, Sir.« Der Erste kam von mittschiffs herbeigeeilt, wo er das Entrosten der Rüsteisen kontrolliert hatte.
    »Lasst »Klar Schiff zum Gefecht! « pfeifen. In spätestens zehn Minuten ist die Falcon feuerbereit, wenn nicht, spleiße ich die Männer an ihren Dochten zusammen.«
    »Aye, aye, Sir. Das wird nicht nötig sein.« Die Augen des Hünen blitzten, während er die notwendigen Befehle über die Decks brüllte.
    »Mister Fernandez, wie ist unsere Position?« Der Zweite musste nicht lange überlegen. »Wir liegen ziemlich genau auf 30 Grad, fünfzig Minuten nördlicher Breite, Sir. Habe erst vor einer Viertelstunde die Höhe genommen.«
    »Und die Länge?«
    »Nicht ganz so genau zu bestimmen, Sir, aber ich schätze, dass zwei winzige portugiesische Eilande, die Ilhas Selvagens, querab an Backbord liegen.«
    »Kenne sie. Liegen nur ein paar Meilen nördlich der Kanaren. Gehören trotzdem zur Madeira-Gruppe.«
    Taggart kniff die Augen zusammen, aber noch war von Deck aus nichts zu sehen.
    »Tipperton!«
    Der Schreiber steckte den Kopf aus der Kajüte des Kapitäns. »Sir?«
    »Mein Okular, aber ruckartig!«
    Als er das Gerät endlich bekommen hatte, es handelte sich um eines der ersten Fernrohre überhaupt, welches dank des Zusammenwirkens zweier Linsen in der Lage war, Gegenstände stark zu vergrößern, stieg Taggart in die Wanten des Hauptmasts. Unter ihm verwandelte sich die Falcon in einen Ameisenhaufen: Überall liefen, sprangen, eilten Männer umher, planlos und unübersichtlich für das unkundige Auge, doch

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