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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Cirurgicus.« Taggarts Augen verengten sich. »Was ist an dieser Lady so wichtig?«
    »Sie ist vielleicht meine Mutter.«
    »Sie ist vielleicht Eure ... Bei allen Teufelsrochen! Wie meint ihr das?« Taggart nahm erst mal einen kräftigen Schluck.
    »Es ist ja keineswegs sicher!« Vitus hob die Stimme, weil plötzlich alle durcheinander redeten. »Warum ich das glaube, ist eine lange Geschichte. Sie fängt damit an, dass ich ein Findelkind bin ...«
    In der nächsten Stunde erzählte er, was ihm bisher widerfahren war. Manches schilderte er ausführlich, anderes nur knapp. Und einiges, wie den Grund für seine Einlieferung in den Kerker, ließ er ganz aus. Der Zwerg war ihm dankbar dafür.
    Als Vitus geendet hatte, herrschte zunächst Schweigen. Dann erhob sich Taggart, grinste schief, balancierte auf Seebeinen hinter seinen Paravent und war kurz darauf mit drei weiteren Flaschen Rheinwein zurück. »Taufwasser!
    Dafür, dass Ihr womöglich an Bord meines Schiffs geboren wurdet.« Er reichte die Flaschen an Tipperton weiter, der sich beeilte, sie zu öffnen. »Eines verstehe ich allerdings noch immer nicht: Was lässt Euch so ernsthaft hoffen, dass die unbekannte Lady Eure Mutter ist?«
    »Ich gebe zu, dass es kaum mehr als eine Vermutung sein kann, Sir.« Vitus' Stimme zitterte. Je mehr er von seiner Vergangenheit berichtete, desto aufgeregter wurde er. »Aber zwei Gründe sprechen dafür: Erstens erzählte Kapitän Loom uns, dass die Lady bei ihrem Verschwinden in Vigo ein schweres, rotes Bündel bei sich gehabt habe. Das Tuch des Bündels könnte identisch sein mit dem Damasttuch, das ich seit meinem Fortgang von Campodios bei mir trage. Es ist mein wichtigster Besitz, von dem ich mich bis heute zu keiner Zeit getrennt habe.«
    »Beruhigt Euch, und nehmt einen Schluck.« Taggarts Stimme klang fast väterlich. »Cheers!«
    »Cheers! Wie wir außerdem wissen, wandte sich die Lady landeinwärts. Gut möglich also, dass sie in östliche Richtung weiterwanderte und eines Tages in die Gegend von Campodios gelangte.«
    »War das schon der zweite Grund?«
    »Ja, Sir, der zweite Grund ist recht vage, wie ich zugebe.«
    »Nun, ich kenne vielleicht noch einen dritten. Ihr erzähltet uns eben, dass Ihr am 9. März anno 56 in der Nähe des Klosters gefunden wurdet. Es ist der Tag, den Ihr als Euren Geburtstag feiert. Genau genommen seid Ihr natürlich früher geboren worden. Vielleicht einen oder anderthalb Monate. Wie ich mich zu erinnern glaube, segelten wir mit der Thunderbird Ende Januar 56 von Portsmouth ab. Wenn meine Annahme stimmt, müsstet Ihr folglich ein paar Tage später als Ende Januar 56 das Licht der Welt erblickt haben, vielleicht Anfang Februar. Nach jener Sturmnacht brauchten wir rund eine Woche, um, arg gebeutelt wie wir waren, nach Vigo zu kriechen. Dies alles vorausgesetzt, hätte Eure Mutter, sofern sie es wirklich war, drei bis vier Wochen Zeit gehabt, um ins Landesinnere und in die Nähe des Klosters zu kommen. Eine realistische Zeitannahme, wie ich denke.«
    »Aber warum sollte ausgerechnet Campodios das Ziel der Unbekannten gewesen sein, Sir?«
    »Vielleicht war es ja gar nicht ihr Ziel«, antwortete der Magister für Taggart. »Vielleicht war es purer Zufall, dass sie dort hingelangte. Sie war in der Nähe, und es ging ihr wahrscheinlich alles andere als gut. Man darf nicht vergessen, dass sie kurz vorher ein Kind geboren hatte, dazu kam die Reise über Hunderte von Meilen, die ja auch kein Zuckerschlecken war. Im Übrigen ist es recht gebräuchlich, Säuglinge, für die nicht ausreichend gesorgt werden kann, vor ein Klostertor zu legen.«
    »Zu viele Vermutungen, zu wenig Tatsachen«, seufzte Vitus.
    »Cirurgicus, Ihr erwähntet eben ein rotes Damasttuch«, schaltete Doktor Hall sich ein. »Und Ihr sagtet ferner, es sei Euer wichtigster Besitz, von dem Ihr Euch noch nie getrennt hättet?«
    »Das ist richtig«, bestätigte Vitas. »Ich trage es immer direkt auf dem Leib.«
    »Und vorhin erzähltet Ihr von Eurer Begegnung mit Captain Loom in dieser Engländerkneipe, im, äh ...?«
    »Ingles.«
    »Richtig, El Ingles. Dort habt Ihr gemeinsam ein Seestück betrachtet, eine Karavelle, wie Ihr sagtet, die ein Wappen im Segel führt, das jenem auf Eurem Tuch genau entspricht.«
    »So ist es«, antwortete Vitus. Er fragte sich, worauf der alte Arzt hinauswollte.
    »Eine interessante Duplizität.« Halls wässrige Augen umfingen neugierig Vitus' Oberkörper. »Zufällig kenne ich mich in der Heraldik ein

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