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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Stroh ist ziemlich sauber«, meinte der Magister zuvorkommend. »Bis vor kurzem haben darin zwei, äh ... Freunde gelegen. Nachdem sie fort waren, weil man sie ... nun, das tut nichts zur Sache, also, nachdem sie fort waren, haben wir die Halme zum Lüften ausgebreitet. Die zwei waren sehr reinlich.«
    »Hinterlader waren's«, sagte Nunu zum Neuankömmling, »'s dürft für dich also genau der richtge Platz sein.« Er lachte hässlich und wollte gehen.
    »Blödes Arschloch!«, knurrte der Einäugige. Die Luft im Kerker stand still.
    Noch nie hatte jemand es gewagt, Nunu zu beleidigen. Der Magister wisperte Vitus zu: »Egal, warum der Bursche hier ist, Mut hat er.«
    »Sach das noch mal«, sagte Nunu.
    Der Neue blickte dem Koloss direkt in die Augen. Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Grinsen. Betont langsam wiederholte er: »Blödes Arschl...«
    Doch er kam nicht dazu, die Beleidigung vollends auszusprechen, denn mit einer Schnelligkeit, die keiner für möglich gehalten hätte, rammte Nunu ihm den Ellenbogen in die Magengrube. Der Mann wurde quer durch den Raum geschleudert; sein Rücken krachte mit solcher Wucht gegen die Kerkerwand, dass die Luft pfeifend aus seinen Lungen wich. Benommen landete er auf dem Hintern - genau zwischen Vitus und dem Magister.
    »Sach das noch mal«, sagte Nunu. Der Fremde schüttelte den Kopf.
    »Merk's dir ein für alle Mal, mit Nunu fängt man keinen Streit nich an.« Der Koloss hinkte hinaus.
    »Willkommen in unserem Kreis«, sagte der Magister, als der Neue sich erholt hatte. Er schien ein zäher Kerl zu sein. Statt einer Antwort stand er ächzend auf.
    Der Magister, Vitus und die Juden beobachteten schweigend, wie er zu den schmalen, schießschartenartigen Fenstern aufsah, unter denen Vitus und der Magister lagen. Seit Amandus und Felix den Kerker verlassen hatten, waren alle Insassen im Uhrzeigersinn weitergerückt, sodass der Platz neben dem Abort frei geworden war.
    Der Fremde stellte sich auf die Zehenspitzen, um hinausblicken zu können, doch er konnte nichts erkennen, obwohl er hoch gewachsen war. Seine Hände tasteten die Fensteröffnungen ab. »Fast so schmal wie der Schlitz einer Frau«, brummte er. »Da schlüpft nicht mal 'ne Katze durch.« Er machte einen Schritt zurück, wobei er dem Magister auf die Hand trat. Der kleine Gelehrte fuhr hoch:
    »Autsch!«
    »Stell dich nicht so an.« Der Unbekannte wandte sich an Vitus. »Du trägst 'ne schwere Kette, scheinst ein besonderer Fall zu sein.«
    „Ich wüsste nicht, warum«, entgegnete Vitus kühl. Er verspürte keine Lust auf eine Unterhaltung mit dem Neuen, doch das beruhte offenbar auf Gegenseitigkeit, denn der Unbekannte ging ohne ein weiteres Wort zum Exkrementekübel. »Die Latrine sieht recht ordentlich aus«, befand er. »Ihr scheint nicht oft danebenzuscheißen.«
    Als die Antwort ausblieb, begann er systematisch die Wand an seiner Seite abzuklopfen. »Nichts«, murmelte er nach einer Weile. »Schauen wir mal nach, was mit der Tür ist.« Er pochte ein paar Mal kräftig dagegen. »Massives Eichenholz und ein schweres Eisenschloss«, stellte er fest.
    »Da ist kein Durchkommen.«
    Schließlich wandte er sich der letzten Seite des Raums zu: dem Platz rechts vom Eingang, an dem Felix und Amandus noch vor kurzem gelegen hatten und der jetzt von den Juden eingenommen wurde. Er untersuchte auch diese Wand peinlich genau.
    »Holla!«, rief er plötzlich. »Hier ist ein Ziegel locker!«
    Er hielt den Stein des Magisters hoch. »Da ist was eingeritzt!«
    »Das ist mein Datumstein«, sagte der Magister.
    »Was für ein Stein?«
    Der kleine Gelehrte erklärte die Bewandtnis des Steins. Dann stand er auf und ging zu dem Unbekannten hinüber.
    »Ich denke, es ist Zeit, dass wir uns vorstellen: Die Männer hier heißen Habakuk, David und Solomon. Sie wollten als Juden auf dem spanischen Festland Handel treiben. Das erklärt, warum man sie einsperrte.« Die drei nickten dem Neuen zu.
    »Dort an der Fensterseite«, fuhr der Magister fort,
    »liegt mein Freund Vitus, er ist ein ehemaliger Klosterschüler. Warum er eingelocht wurde, wissen wir noch nicht. Ich selbst heiße Ramiro Garcia und werde Magister genannt, bin Rechtsgelehrter und mit der Kirche über Kreuz.« Er deutete eine kurze Verbeugung an. »Darf ich fragen, wer du bist und was dich, sozusagen, herführt?«
    »Ich bin Martinez«, antwortete Martinez, »und was mich hierher führt, geht dich einen Scheißdreck an.«
    »Warum so unhöflich, mein Freund?« Der

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