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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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Magister blinzelte konsterniert.
    »Ich bin nicht dein Freund«, blaffte Martinez. »Ich bin niemandes Freund. Und schon gar nicht der Freund eines Paragraphenreiters. Schreib dir das hinter die Ohren, wenn du mit mir auskommen willst.«
    Er schob den Datumstein wieder zurück in die Lücke.
    »Von frömmelnden Klosterbrüdern halte ich ebenfalls nichts. Und von Juden erst recht nichts. Die bescheißen einen, wo sie nur können!«
    »Wir sind ehrliche Händler«, verwahrte sich Habakuk.
    »Wir haben noch nie jemanden übervorteilt, da kannst du fragen, wen du willst. Gott ist mein Zeuge!«
    »Ihr Juden seid Christusmörder, allesamt!« Für Martinez war das Thema erledigt. Er war enttäuscht von den Leuten, mit denen er die Zelle teilen musste. Mit so was konnte man keinen Ausbruch planen. Alles durchgeistigte Waschlappen und Händlerseelen. Er musste sehen, wie er allein zurechtkam. Am ehesten würde er noch Hilfe von diesem Fleischklops erwarten können. Er kannte keinen Kerkermeister, der nicht bestechlich war. Zu dumm, dass er ihm nichts anbieten konnte. Er knirschte mit den Zähnen, als er daran dachte, dass man ihm seinen Geldbeutel und den Dolch abgenommen hatte.
    »Dein Verhalten ist nicht nur fehl am Platz, sondern extrem ungerecht!«, hörte er den Magister scharf sagen.
    »Wie kannst du die Juden, die in unserer Zeit leben, für das verantwortlich machen, was ihre Vorfahren einst getan haben! Ich nenne dir einen Vergleich: Nimm an, dein Großvater hätte vor Jahrzehnten jemanden erschlagen, und der Gesetzgeber verböte dir deshalb heute die Ausübung eines Berufs, sagen wir, den des Holzhändlers. Was würdest du dazu sagen?« Martinez verspürte wenig Lust, sich mit dem Magister einzulassen. Doch der Blick des kleinen Mannes strahlte große Willenskraft aus, sodass er sich zu einer Antwort bemüßigt fühlte. »Verdammt, ich würde sagen, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, Rechtsverdreher!«
    Um die Mundwinkel des Magisters bildete sich ein Lächeln: »Und wie ist das nun mit den Juden? Richtig, ihre Vorväter haben Christus getötet, aber warum sollen Habakuk, David und Solomon deshalb keinen Handel treiben dürfen? Warum sollen sie kein Handwerk erlernen können? Warum sollen sie keine andere ehrbare Tätigkeit ausüben? Du musst zugeben, dass das genauso wenig miteinander zu tun hat.«
    »Juden sind Pfandleiher und Wucherer! Sie nutzen die Not anderer aus, um sich zu bereichern!«
    »Sie sind Pfandleiher und Kreditgeber, weil sie gar keine andere Möglichkeit haben! Man zwingt sie doch förmlich dazu! Dein Zorn sollte sich gegen diejenigen richten, die solche Gesetze erlassen.«
    »Wenn ein Jude mir meinen guten Degen beleiht, muss er mir deshalb noch lange nicht nur ein Almosen dafür geben!« Martinez dachte an seine schöne Klinge aus Toledo. Aber genau darauf spekulierten ja die Pfandleiher: wertvolle Gegenstände niedrig zu beleihen, in der Hoffnung, dass sie nicht rechtzeitig ausgelöst wurden, woraufhin sie mit großem Gewinn verkauft werden konnten.
    »Welcher Jude hat deinen Degen zu niedrig beliehen?«
    »Der Pfandleiher hier in Dosvaldes.«
    »Schwarze Schafe gibt es doch überall«, versuchte der Magister die Wogen zu glätten. »In jedem Land, in jedem Volk, in jedem Beruf. Man darf nicht alle über einen Kamm scheren.«
    »Scheiß drauf!« Martinez war nicht zu besänftigen.
    »Wenn die drei hier so edel und großherzig sind, wie du glaubst, dann sollen sie dafür sorgen, dass ich meinen Degen wiederkriege.« Er wandte sich direkt an Habakuk, David und Solomon: »Ihr Nackteicheln steckt doch alle unter einer Decke.«
    »Das ... das ... das ist doch die Höhe!« Dem kleinen Gelehrten fehlten die Worte nach dieser Schmähung. Er zitterte am ganzen Körper. Tonlos öffnete und schloss sich sein Mund. Martinez sah es und konnte nicht widerstehen: Als die Lippen wieder auseinander standen, spuckte er gezielt in die Öffnung. Vitus sprang mit klirrender Kette auf: »Augenblicklich entschuldigst du dich bei meinem Freund!« Plötzlich fühlte Martinez sich großartig. Er strafte den Jüngling mit Nichtachtung und blickte voll Genugtuung auf den kleinen Mann, der jetzt angeekelt seinen Speichel ausspie.
    »Den Teufel werde ich!« Dieser Klosterschüler konnte ihm keine Angst einjagen.
    Doch dann trat etwas ein, womit er nicht gerechnet hatte. Der Jüngling legte blitzschnell die Arme aneinander, holte seitlich aus und schlug ihm seine Kette gegen die Beine. Martinez krachte zu Boden

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