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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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wie ein gefällter Baum. Augenblicklich kam er wieder auf die Füße. Heiße Wut schoss in ihm hoch und ließ ihn den Schmerz in seinen Schienbeinen vergessen. Er stürzte sich auf den Jüngling, doch der kleine Mann warf sich dazwischen. Mit einer Handbewegung fegte Martinez ihn beiseite. Wieder war der Weg frei, er wollte diesem Muttersöhnchen aus dem Kloster eine verpassen, aber Habakuk hatte sich an seinen rechten Arm gehängt. Solomon und David waren ebenfalls hinzugesprungen, sie bearbeiteten seinen Kopf mit Faustschlägen. Martinez heulte auf. Er riss die Arme auseinander, um sich seiner Angreifer zu entledigen, aber sie hingen an ihm wie Kletten. Ihre Schläge prasselten auf ihn nieder und trafen ihn überall. Er hieb und stieß und schlug dagegen an, doch jetzt begann sein verwundeter linker Arm zu schmerzen, und er konnte ihn kaum noch einsetzen. Sein rechter Arm erlahmte ...
    Mit vereinten Kräften zogen sie an ihm, brachten ihn aus dem Gleichgewicht, bis Martinez taumelte. Er fiel. Die anderen waren über ihm. Das Gewicht ihrer Körper erstickte seine Schläge, doch verbissen kämpfte er weiter. Er war Soldat, und er hasste Niederlagen.
    Noch einmal traf ihn die Kette, diesmal am Kopf. Ein Nebel legte sich über sein sehfähiges Auge. Er konnte kaum noch etwas erkennen. »Ich gebe auf!«, keuchte er.

    »Ich hasse mich dafür«, sagte der Magister. Er saß wie ein Häufchen Elend im Stroh und rieb sich die schmerzenden Stellen. »Ich, ein Mann des Rechts, der für die Gewaltlosigkeit eintritt, habe mich geprügelt wie ein Gassenjunge.«
    Alle Kerkerinsassen lagen wieder an ihrem Platz, schwer atmend wie nach einem schnellen Lauf. Jeder von ihnen hatte Blessuren davongetragen, doch Martinez war am übelsten dran. Er saß im Stroh neben dem Abtritt und betastete die offenen Schürfwunden an seinen Schienbeinen.
    »Es gibt Situationen, in denen man sich selbst nicht wieder erkennt«, ächzte Vitus. Er hatte ein blaues Auge davongetragen und eine Reihe von Kratzspuren im Gesicht. »Nimm's nicht so schwer, Magister.«
    »Ich würde viel darum geben, den Vorfall ungeschehen machen zu können.«
    »Du kannst doch von uns allen am wenigsten dafür«, ließ sich Habakuk von der anderen Wand vernehmen.
    »Der, der das alles provoziert hat, sitzt dort.« Sein Kopf wies in Richtung Martinez.
    »Ich habe noch schmerzstillende Kräuter von der Behandlung des Magisters übrig.« Zögernd blickte Vitus zu Martinez hinüber. »So wie's aussieht, hast du am meisten abbekommen, Martinez. Ich könnte etwas für deine Schienbeine tun. Wie wär's?«
    »Kümmer dich um deinen eigenen Mist.« Tatsächlich litt Martinez große Schmerzen, gern hätte er ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, aber dieser Klosterlümmel war der Letzte, von dem er sich behandeln lassen wollte.
    »Hast selbst 'n Auge wie ein Veilchenstrauß.« Der Gedanke, dass er es war, der für diese Verletzung gesorgt hatte, gab ihm Auftrieb. Er sah, wie dieser Vitus sich vom Magister ein Tuch geben ließ, das er in einen Krug mit Wasser tauchte. Jetzt wrang er es aus und band es sich um den Kopf.
    Der Kerl verschafft sich Linderung, dachte er, während ich Höllenqualen leide! Ohne zu überlegen, sprang er auf die Füße. Mit zwei, drei großen Schritten war er drüben bei dem Klosterlümmel und riss ihm das Tuch vom Kopf.
    »Runter mit dem Fetzen!«
    »Bist du von Sinnen?«, fragte Vitus erschreckt.
    »Gib das Tuch zurück. Sofort!«, rief der Magister.
    »Ich denke nicht dran!« Martinez hielt dem kleinen Gelehrten den Lappen vor die Nase. Der griff danach. Martinez hob das Tuch hoch, gerade so viel, dass es außer Reichweite war. Abermals griff der Magister zu - wieder vergebens. Es sah aus, als würde man einem Kind die Süßigkeit verweigern. Martinez fand Gefallen an dem Spiel. »Der Rechtsverdreher war nicht brav zu Martinez«, säuselte er. »Und die anderen auch nicht!«
    »Schluss jetzt!«, rief Vitus energisch. »Du hast genug Unfrieden gestiftet. Gib das Tuch heraus, oder du beziehst erneut Prügel!«
    »So, werde ich das?«, fragte Martinez höhnisch. »Dann passt mal auf, was ich mit diesem Lappen mache.« Er nahm das Tuch und zerriss es. »Das!« Die beiden entstandenen Hälften riss er nochmals auseinander. »Und das! ... Und das! ... Und das!«
    Jedes Stückchen Stoff warf er dem Magister vor die Füße.
    Der kleine Gelehrte war den Tränen nahe: »Du weißt nicht, was du mir damit angetan hast«, flüsterte er.
    Am Abend erschien Nunu noch

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