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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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nicht aus, um die Folter in ihren verschiedenen Graden festzuhalten.«
    »Ja, hm.« Was Alegrio sagte, stimmte. Das Licht war tatsächlich sehr schummrig. Die Fackel flackerte schon und war fast abgebrannt. Wo blieb Nunus Gehilfe nur? Ein ungutes Gefühl beschlich den Inquisitor. Er überlegte kurz, ob er die Folter unterbrechen sollte, um den Kerkermeister seinem Gehilfen nachzuschicken, doch er ließ den Gedanken fallen. »Ihr habt Recht, Pater Alegrio, bei diesem Licht könnt Ihr nicht schreiben. Aber ich denke, im Sinne einer zügigen Abwicklung sollten wir dennoch fortfahren. Ich bin sicher, der Angeklagte wird innerhalb der nächsten Minuten gestehen, dann ist immer noch Zeit, die entsprechenden Vermerke nachzutragen.«
    »Jawohl, Hochwürden.«
    »Nunu, bitte.«
    Der Kerkermeister schob den Stachelstuhl ein Stück näher an das Tischchen heran, auf dem die Daumenschrauben standen. Er machte eine übertrieben einladende Geste: »Nimm Platz, Ketzerdokter!«
    Vitus ging um den Stuhl herum und betrachtete die Sitzfläche. Nadelspitze eiserne Dornen ragten dicht an dicht empor. Er überlegte, dass er sich am besten so setzen musste, dass Oberschenkel und Gesäß eine gerade Ebene bildeten, dadurch wäre die Fläche größer und der Druck geringer, mit dem die Spitzen in seine Haut dringen würden. Sein Mantel würde vielleicht einen weiteren Teil des Drucks aufhalten. Er setzte sich mit einer gleitenden Bewegung. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte er nichts. Dann kam die Qual.
    Wie ein nadelspitzer Rosendorn, der die Fingerkuppe durchbohrt, überfiel ihn der Schmerz. Er griff an tausend Punkten gleichzeitig an, flutete wie eine Welle im Körper hoch, lief durch alle Gliedmaßen und teilte sich auch der letzten, der kleinsten Faser mit. Vitus brach der Schweiß aus. Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme von Nunu:
    »Leg die Arme auf die Lehnen, Ketzerdokter, musst richtig sitzen, sonst kann's nich weitergehn.«
    Er reagierte nicht. Es war unmöglich. Er konzentrierte alle seine Gedanken fort von dem Schmerz, um ihn besser ertragen zu können.
    Nunu wurde ungeduldig. Er packte Vitus' Arme wie zwei Äste und legte sie auf die Lehnen. Die Kette klirrte, als sie gegen den Tisch schlug. Vitus spürte die Eisenspitzen der Armlehnen, wie sie in seine Unterarme drangen, doch die Tortur war nichts gegen das, was er an Gesäß und Oberschenkeln litt.
    »Das hätten wir«, sagte Nunu. »Gleich wird's noch'n bisschen mehr zwicken.« Er schlang um Arme und Armlehnen je einen Lederriemen. »So!« Er zog die Riemen zu, die Eisenspitzen bohrten sich tiefer ins Fleisch. Vitus hielt die Luft an, die Schmerzen jagten wie Schauer durch seinen Körper.
    »Ich zieh zwei Löcher fester, sonst glaubste noch, ich kann meine Arbeit nich, Ketzerdokter. Sooo, un sooo ...«
    Vitus keuchte, er atmete qualvoll und schnell. Mit der ganzen Kraft, die ihm zu Gebote stand, versuchte er an etwas anderes zu denken, an irgendetwas, das ihn die unbeschreibliche Qual für einen gnädigen Augenblick vergessen ließ. Das Werk De morbis kam ihm in den Sinn. Vor seinem geistigen Auge blätterte er es auf und verhielt bei einer Seite, auf der die Zubereitung von Kräuteraufgüssen behandelt wurde. Nur die Schmerzen nicht ins Bewusstsein dringen lassen ...
    »Un jetz die Hände vor.« Weil Vitus nicht gehorchte, ergriff Nunu seine Daumen und legte sie auf die Unterplatte der Daumenschrauben. Dann machte er sich am oberen Gegenstück zu schaffen und drehte links und rechts an den Flügelschrauben; tiefer und tiefer senkte sich die Platte mit ihren eisernen Dornen ...
    »Nun, habt Ihr mir etwas zu sagen, Angeklagter?« Wie durch eine Nebelwand hörte Vitus die Stimme von Ignacio. Er schüttelte wild den Kopf. »Weitermachen, Nunu!«
    »Jawohl.«
    Die obere Platte bekam Kontakt. Neue Schmerzwellen rasten durch Vitus' Körper, trafen auf die Torturen, die von unten seinen Leib durchdrangen, und vereinigten sich zu einer neuen unvorstellbaren Peinigung. Ohne dass er es bemerkte, zuckten seine Daumen hin und her, rissen sich blutig, fort, nur fort von den alles zerquetschenden Platten!
    Aber die Daumenschrauben waren wie stählerne Klauen. Unentrinnbar ...
    »Ich leg noch mal 'ne Umdrehung zu«, grunzte Nunu. Seine plumpen Hände fingerten an den Muttern. Abermals erhöhte sich der Druck ...
    »Aaaaaaaaaahhh ...!« Vitus' markerschütternder Schrei endete in einem Röcheln.
    »Nun, schwört Ihr endlich ab?« Von irgendwoher meldete sich die Stimme von

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