Der Wanderchirurg
ergebenden Schmerzen zu drohen.«
»Jawohl.« Nunu wirkte ein wenig enttäuscht. Dann setzte er seine Ausführungen fort, indem er auf den Stuhl wies, der an dem kleinen Tisch stand. »Der Stachelstuhl is wie'n Igel, nur härter. Sitz un Armlehnen sin mit Eisenspitzen gespickt, 's is genau das Richtige, wenn man die Stiefel schon anhat.« Er ging an den Tisch. »Die Mundbirne hat acht Flügel un in der Mitte 'n Gewinde mit 'ner Mutter«, er deutete auf die Mutter, »die is da, wobei 'ner richtigen Birne der Stängel is. Unsre Birne kommt mit'm dicken Ende in'n Mund, un ich dreh an der Mutter, un im Mund gehn die Flügel auseinander, un der Ketzer kriegt dicke Backen un kann nix mehr sagen. Un wenn er doch schreit, dreh ich un dreh ich, un die Backen platzen.«
»Das hast du sehr schön erklärt«, lobte Ignacio, »auch wenn du erneut in den Fehler verfallen bist, die entstehenden Schmerzen anzudeuten.«
»Danke, Hochwürden.« Nunu strahlte. Mit neuem Schwung machte er weiter. »Das hier sin Daumenschrauben. Der Ketzer tut die Daumen auf 'ne eiserne Platte, wo Spitzen rausgucken, un von oben kommt genau so 'ne Platte. Die Platte oben dreh ich über'n Gewinde immer weiter runter, bis die Daumen platt sin. Wenn der Ketzer nich gestehen will, hau ich mit'm Hammer noch drauf. Da spritzt das Blut nur so, Ketzerdokter!«
Vitus blickte zur Seite und sagte nichts. Auch Ignacio schwieg diesmal, obwohl der Kerkermeister abermals gegen die Norm verstoßen hatte.
»Das is das Streckbett.« Nunu ging zur Wand, wo das Bett stand. Am Kopfende, ungefähr auf Schulterhöhe, befand sich auf jeder Seite ein aufrechtes Rundholz. »Die Hölzer steh'n aus'n Achseln raus«, erklärte er, »wenn ich an'n Füßen zieh, hängt der Ketzer fest un wird immer länger.«
Er hinkte weiter zum Fußende. »Hier is ne Winde mit'm Seil, 's Seil is mit'n Füßen verknotet. Ich dreh anner Winde, un der Ketzer streckt sich; ich dreh weiter, un der Ketzer wird noch länger.« »Der Körper des Delinquenten ist so weit zu strecken, bis man das Licht einer Kerze durch seinen Leib schimmern sehen kann«, ergänzte Ignacio. Seine Stimme klang sachlich. Nunu nahm vom Streckbett eine dünne eiserne Stange und hielt sie hoch. Sie hatte ungefähr die Länge eines Männerarms. »Das is unser Brandeisen, 's is für die Feuerfolter.« Vitus bemerkte, dass es eine kreuzförmige Spitze aufwies. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Das muss das Instrument sein, mit dem der Magister gefoltert wurde!
Doch wenn das stimmte, woher nahmen die Peiniger das Feuer, um die Spitze zu erhitzen? Nirgendwo im Raum befand sich ein Ofen oder eine Esse. Vitus nahm an, dass die Feuerstelle vier Stufen tiefer, im unteren Raum, lag. Das rußige Mauerwerk über der Türöffnung sprach dafür.
»Das is 'ne Rute«, setzte Nunu seine Erklärungen fort,
»da brauchen wir viele von, weil die beim Schlagen schnell kaputt gehn.«
»Die Rute kommt nur zum Einsatz in Verbindung mit anderen Foltermethoden, allein gilt sie nicht als vollwertiges Werkzeug«, ergänzte Ignacio. Er griff in die Schale und nahm eine Nuss. Der Vorgang des Lutschens und Mümmelns wiederholte sich. »Die Rute muss vor jedem Einsatz sorgfaltig in Weihwasser getränkt werden, wobei ein Ave-Maria zu beten ist. Fahre fort, Nunu.«
»Die Streckleiter is wie's Streckbett, nur isses im Stehen.« »Gut, das war's, Nunu«, sagte Ignacio. »Soweit die Territio realis.« Er blickte fragend auf Vitus. Vitus schaute durch ihn hindurch.
»Wenn Ihr einverstanden seid, Don Jaime«, sagte der Inquisitor, »beginnen wir mit Folterstufe eins, den Daumenschrauben.«
»Ich bin einverstanden«, sagte der Alcalde. Er rutschte ein paar Mal auf seinem Stuhl hin und her, um es sich für das Kommende bequem zu machen.
»Bevor ich es vergesse«, sagte Ignacio, »ich schlage vor, dass wir dem Angeklagten während des ersten Foltergrades erlauben, seine Kleidung anzubehalten, obwohl das eigentlich nicht statthaft ist. Ihr wisst, dass der Delinquent nackt zu sein hat und allenfalls seine Blöße mit einem Schamtuch bedecken darf.«
»Schon recht«, sagte der Alcalde. Man sah ihm an, dass er diesen Punkt nicht für wichtig hielt.
»Nunu, walte deines Amtes.«
»Hochwürden Ignacio!«, unterbrach Alegrio. Seine Stimme klang wichtig.
»Was gibt es nun schon wieder, Pater Alegrio?«
»Ich muss Euch darauf aufmerksam machen, dass ich noch immer nicht in der Lage bin, ein ordnungsgemäßes Protokoll zu führen. Das Licht reicht einfach
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