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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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weh, un die Weiber lachen mich auch immer aus.«
    »Ich brauche noch heute eine Feuerstelle und frisches Wasser. Beides habt ihr vergessen.«
    »Besorg das, Ratte«, sagte Nunu.
    »Wie denn? Das Feuer in der Folterkammer ist aus, und das Wasser muss ich auch erst vom Brunnen holen!«
    »Ich zähl bis drei ...« Nunu hob drohend den Arm.
    »Verzähl dich nicht.« Die Ratte guckte böse, doch dann huschte sie eilig davon.
    »Was sagtest du, Nunu?«, fragte Vitus, »die Weiber lachen dich aus?« Er legte sich wieder vorsichtig auf den Bauch. Der Koloss setzte sich an den Tisch und zündete eine Kerze an, denn es begann dämmrig zu werden. »Weil ich ja hink. Wenn ich 'ne Frau will, muss ich nach'm Puff. Kann's mir aber von mei'm Hungerlohn nich leisten, un Elvira is sowieso nich zu bezahlen.«
    »Elvira?«
    »Elvira is die schönste Hure, die's gibt. Sie hat's Bordell an der Plaza, das mit'n runden Fenstern.« Nunu seufzte.
    »Das is 'ne Hure, Ketzerdokter, da zieht dein Schwanz dich hin, ob de willst oder nich.« Er seufzte abermals, diesmal schwerer. »Aber Elvira is einfach zu teuer, un nur aus Freundschaft tut sie's nich.«
    »Du müsstest etwas haben, das sie verliebt in dich macht. Verliebte Frauen tun einfach alles, genau wie Männer.« Vitus kam sich vor wie ein Bauer, der vom Fischfang redet. Er hatte keine Ahnung von Frauen. Doch er hatte gehört, dass Verliebte alles um sich herum vergaßen - auch Geld. »Nu, nu, sach, haste nich'n Kraut oder so was, das se willig macht?«
    »Wo denkst du hin!«, wehrte Vitus ab - und hatte in diesem Augenblick eine Idee. »Schließlich bin ich kein Zauberer. Und der Teufel sitzt auch nicht in mir.«
    Der Koloss musterte ihn misstrauisch: »Weiß nich. Vielleicht ja, vielleicht nein. Hochwürden un ich hätten's aus dir rausgequetscht, das kannste glauben.«
    Die Tür flog auf. Die Ratte erschien und schaffte ein Wasserfässchen herbei, dazu eine eiserne Schale mit Kohlen und Glut. »Danke. Stell alles dort an die Wand. Und jetzt lasst mich allein. Bei der Zubereitung der Arzneien könnt ihr mir sowieso nicht helfen.«
    Die Ratte verzog böse ihren spitzen Mund: »Tu bloß
    nicht so gelehrt, du, du ...«
    »Komm lass, Ratte!« Der Koloss zog den giftenden Gehilfen mit nach draußen.
    Als beide fort waren, atmete Vitus durch. Alles, was er notiert hatte, schien vorhanden zu sein. Es war mittlerweile schon später Abend, aber er beschloss trotzdem, sich ausgiebig zu reinigen. Er füllte die Waschschüssel auf, griff zum Seifenkraut und rieb es so lange im Wasser, bis es schaumig wurde. Dann wusch er sich vorsichtig von Kopf bis Fuß, wobei er immer wieder Wasser nachgab. Als er fertig war, tauchte er, einem spontanen Entschluss folgend, das rote Damasttuch ins Waschwasser und walkte es kräftig durch. Er staunte, wie kraftvoll die rote Farbe anschließend wieder leuchtete. Morgen früh, wenn das Tuch getrocknet war, würde er es wieder um den Leib binden.
    Er ertappte sich dabei, wie er ein Lied pfiff, und wunderte sich, mit wie wenig ein Mensch schon zufrieden sein konnte. Summend nahm er ein Hemd und die Ersatzhose aus seiner Kiepe, bevor er sich Arme, Oberschenkel und Gesäß mit der Honigsalbe einrieb und die verletzten Stellen verband. Als er die frische Kleidung anzog, fühlte er sich wie ein neuer Mensch. Was wohl der Magister jetzt machte?
    Wenig später setzte er Wasser im Kessel aufs Feuer, um sich einen Thymiantrank zu kochen. Anschließend legte er die Substanzen zur Herstellung des Askleviriums bereit. Er würde das Tonikum am anderen Morgen zubereiten, ebenso wie den Infus aus Johanniskraut, Schafgarbe und Arnikawurzeln. Der Thymiantrank schmeckte köstlich. Vitus blies in die heiße Flüssigkeit und zog das Aroma der ätherischen Öle tief in sich hinein. Die Bemerkung von Nunu, dass die Weiber über ihn lachten, ging ihm nicht aus dem Kopf. Was würde passieren, wenn er ihm eine Art Zaubermittel anböte, von dem er behauptete, es mache die Frauen gefügig? Vorausgesetzt, ihm fiele ein solches Mittel ein, was könnte er dafür verlangen? Langsam nahm seine Idee vom Nachmittag Gestalt an. Doch zunächst waren noch einige andere Dinge zu klären. Vitus nahm einen letzten Schluck, löschte die Kerze und legte sich wieder bäuchlings hin. Ab morgen würde alles besser werden, das schwor er sich.
    Vitus schlief traumlos. Als er erwachte, spürte er zum ersten Mal keine Schmerzen mehr. Neugierig betrachtete er seine Hände. Das erste Glied der Daumen schwoll langsam

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