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Der Wanderchirurg

Der Wanderchirurg

Titel: Der Wanderchirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serno Wolf
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mit dem Oberkörper vor: »An mir wird nich rumgeschnippelt, Ketzerdokter! Gib mir 'ne Salbe oder sonst wie 'ne Medizin im fertig!«
    »Leg dich wieder hin, ohne den Löffel geht's nicht.«
    Behutsam begann er die Wundränder sauber zu schneiden. Plötzlich fühlte er einen stechenden Schmerz am Hals.
    »Jesus Maria!« Er fuhr hoch und sah einen Dolch in Nunus Hand. Der Koloss blickte finster: »Damit mach ich dich alle, wenn du mit dem Löffeldings auf dumme Gedanken kommst, 's geht ganz schnell, kannste mir glauben.« Der Dolch sah gefährlich aus. Es war ein schönes Stück mit fein ziselierter Klinge. »Nimm das sofort weg! Wie soll ich operieren, wenn du mich bedrohst? Oder hast du Angst vor einem kleinen Löffel?«
    »Nee, 'türlich nich.« Der Kerkermeister wurde unsicher.
    »Aber mach keine Fisimatenten, ich dreh dir'n Hals auch mit'n bloßen Händen um!«
    »Keine Sorge. Ich mache so etwas nicht zum ersten Mal.« Vitus schob den Löffel unter das wilde Fleisch und löste es mit leichten, grabenden Bewegungen ab. Nunu stöhnte und begann tief durchzuatmen. Seine riesigen Fäuste öffneten und schlossen sich. Vitus beobachtete es nicht ohne Genugtuung. Das Leben ging doch seltsame Wege: Erst vor vier Tagen hatte dieser Mann ihn brutal gefoltert, und heute war er es selbst, der die Qualen ertragen musste.
    »Bis du bald fertig?«, ächzte Nunu.
    »Für dieses Mal, ja.« Vitus legte den Scharfen Löffel weg und tupfte das hervorsickernde Blut ab. Er griff zur Honigsalbe und rieb damit vorsichtig die Ränder ein. Nunu schielte erleichtert aus seiner liegenden Position. Vitus legte eine leichte Kompresse auf die Wunde und verband sie. »Das Bein muss alle zwei Tage kontrolliert werden. Das heißt: Verband abmachen, Wundränder überprüfen, ob sie zuwachsen, Einreiben mit Honigsalbe, neuen Verband anlegen.«
    »Un wie lange dauert's, bisses heil is?«
    »Ein, zwei Monate bestimmt.«
    »Was, so lange! Un alle zwei Tage den ganzen Zinnober?«
    Vitus erhob sich. »Was sein muss, muss sein. Komm mal mit rüber zum Tisch.« Der Koloss folgte ihm wie ein Schoßhündchen. »Hier sind zwei Krüge, im ersten ist ein spezieller Heiltrank, der deinem Blut gut tut.«
    »Was hat'n das mit mei'm Bein zu tun?«
    »Blut darf nicht vergiftet sein wie bei dir. Wenn es rein ist, kann es besser Schorf bilden, und die Wunde schließt sich. Im zweiten Krug ist ein Venentonikum, es heißt Askievirium und unterstützt den Heilprozess von innen.«
    »Hmja.« Nunu war beeindruckt.
    »Von dem Heiltrank musst du dreimal täglich einen Becher trinken: morgens, mittags und abends. Der Trank muss stets frisch aufgebrüht sein, damit die Stoffe gut wirken; von dem Tonikum musst du zur gleichen Zeit je einen Löffel nehmen. Du musst also dreimal täglich zu mir kommen, damit ich dir die Arzneien geben kann.«
    »Un damit du dreimal täglich was zu fressen kriegst, was?« In mancher Hinsicht war Nunu nicht auf den Kopf gefallen.
    »Du musst die Medikamente wirklich so oft einnehmen, und es ist besser, du tust es hier. Wenn du jedes Mal was zu essen mitbrachtest, wär's mir allerdings schon recht.«
    Vitus grinste. Es hatte keinen Zweck, Nunu etwas vormachen zu wollen. »Nimm jetzt die Medikamente.«
    Nunu gehorchte.
    »Bevor du gehst, muss ich dir noch sagen, dass alles das nichts nützen wird, wenn du nicht ein paar weitere Dinge beachtest.«
    »Was'n noch alles?«, fragte der Koloss entsetzt.
    »Du musst von heute an viel Wasser trinken und den Alkohol meiden, am besten, du trinkst gar keinen. Du musst dich viel bewegen, das ist besser für die Wunde. Und du darfst kein fettes Fleisch essen, nichts vom Schwein oder Ochsen, und wenn, dann nur Lamm oder Ziege. Am besten aber gar keins. Iss dafür lieber Brot und Gemüse. Wenn du dich daran hältst, wird dein Bein gesund werden.«
    Nunus Gesicht verfinsterte sich: »Ich glaub, du willst mich auf'n Arm nehmen, was du da sachst, is doch kein Leben für'n richtigen Mann.«
    »Ein »richtiger« Mann hinkt auch nicht. Und ein »richtiger« Mann kommt bei Frauen an, vergiss das nicht!«
    »Ja, ach ja ...« In Nunus Zügen arbeitete es.
    Vitus wusste, an wen er dachte.
    »Wenn ich nu schon so viel nehmen muss, haste nich auch noch was für Elvira, damit se willig is?«, kam es prompt.
    »Vielleicht. Ich muss darüber nachdenken.« Vitus gab sich ablehnend. »Nimm erst ein paar Tage die Medikamente, dann sehen wir weiter.«
    »Is gut, Ketzerdokter.«
    Vitus wusste nicht, ob sich Nunu in der Folgezeit an

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