Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
Frauen kamen ihr vage vertraut vor, und der gelassenen Reaktion auf ihre Narbe nach zu urteilen, wussten sie auch, wer sie war. Sie erwiderte höflich den Gruß.
»Ich will jetzt die Wahrheit wissen«, sagte sie zu Emily. »Bist du denn auch wieder schwanger?«
»Ja. Aber erst im zweiten Monat. Die anderen sind schon viel weiter. Trixie könnte jeden Tag ihre Wehen kriegen. Was hast du vom Trägerinstitut bisher gehört?«
»Nur, dass ihr Leihmütter in einer Art Politprojekt seid.«
»Das trifft nicht ganz zu«, sagte Emily und verschränkte die Arme. »Ein paar von uns sind tatsächlich Leihmütter und tragen Kinder aus, die biologisch gesehen nicht ihre eigenen sind. Aber die meisten wurden künstlich mit dem Sperma des Vaters befruchtet. So oder so tragen wir die Kinder aber für andere Eltern aus – nach der Geburt ist unsere Aufgabe beendet.«
»Das klingt so einfach, wenn du es sagst. Als wäre es nur eine Arbeit wie jede andere.«
»Eigentlich ist es das auch. Wir werden für ein Jahr bezahlt, mit der Option zur Verlängerung, wenn man mit uns zufrieden war. Jede, die drei gesunde Babys zur Welt bringt, darf ihr Leben lang in der Enklave bleiben und erhält eine Pension.«
Die Hand am Geländer begann Emily einen Spaziergang um den Hof. Marquez folgte in angemessenem Abstand.
»Was, wenn man seine Meinung ändert?«, fragte Gaia. »Was, wenn man sein Baby doch nicht weggeben will?«
»Es ist nicht dein Baby«, stellte Emily klar. »Egal, ob man uns eine Blastozyste einpflanzt oder uns künstlich befruchtet. Wir haben alle Ansprüche auf das Kind von vornherein aufgegeben.«
»Was ist denn eine Blastozyste?«
»Oh, tut mir leid. Das ist die Ansammlung von Zellen, die sich eine Woche nach der Befruchtung gebildet hat. Sie enthält schon alles, was ein menschlicher Embryo braucht; wenn sie sich also in der Gebärmutter einnistet, wird daraus einmal ein Baby.«
Gaia schaute zu, wie sich zwei der Frauen über ein Buch beugten und lachten. Sie gaben ein vollendetes Bild der Gesundheit und des Friedens ab, und sie kam nicht umhin, es mit dem harten Leben vor der Mauer zu vergleichen.
»Unterzeichnet man denn wirklich einen Vertrag oder etwas in der Art?«, fragte sie.
»Wir kriegen das hier.« Emily zeigte ihr das schimmernde Armband an ihrem linken Gelenk. Gaia hatte so ein Material noch nie gesehen: elastisch genug, dass es nicht unbequem saß, aber eng genug, dass es sich nicht abziehen ließ. Eine filigran verzierte goldene Schnalle hielt es zusammen. Am ungewöhnlichsten aber war das schwachblaue Leuchten.
»Es ist sehr schön«, sagte Gaia.
»Das hier ist der Vertrag«, sagte Emily. »Es ist eine Frage der Ehre. Wenn man sich dem Institut anschließt, willigt man ein, zu bleiben, bis das versprochene Baby zur Welt kommt. Man trägt das Armband bis zum Geburtsfest, zu dem die Eltern ihr Kind erhalten und das Band durchtrennen. Bis dahin sendet es ein Signal an den Protektor, sodass er immer weiß, wo man sich befindet. Auch die Eltern können das überprüfen, wenn sie möchten. Es gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit.«
»Also ist es eine Art Sicherheitsvorrichtung?«
Emily schaute sie seltsam an. »Wenn man zynisch sein will, vielleicht.«
»Ich versuche nur, das zu verstehen – willst du denn sagen, dass ihr keine Gefangenen seid?«
»Natürlich nicht«, stellte Emily klar. »Es hat auch schon eine Frau ihr Versprechen gebrochen und ist gegangen. Erinnerst du dich noch an Sasha, von früher?«
»Sasha hat bei euch mitgemacht?« Gaia dachte nur selten an die andere Freundin ihrer Kindheit, erinnerte sich nun aber an Sasha.
»Ja, aber jetzt ist sie fort. Du kannst dein Armband jederzeit zerstören. Doch die Abmachung ist dann null und nichtig. Du wirst nicht mehr bezahlt und bekommst keine medizinische Versorgung. Schließlich bist du eine Lügnerin. Und das Schlimmste ist das Leid, das du den enttäuschten Eltern zufügst, die dir die ganze Zeit vertraut und alles bezahlt haben. Du stiehlst schließlich ihr Kind.«
Emilys Verwendung des »du« wurde ihr zunehmend unangenehm.
»Aber Emily«, protestierte sie. »Wie kann man denn all die Monate ein Kind in sich tragen und dabei genau wissen, dass man es weggeben muss? Wie kannst du so etwas tun? Du hattest doch selbst zwei Kinder.«
»Die habe ich immer noch. Und ich werde immer hier mit ihnen leben. Schließlich tue ich das alles für sie.«
Gaia schaute sie schockiert an. »Du gibst ihren Bruder oder ihre Schwester weg?«
Emily
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