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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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Neuankömmlinge?«
    »Sie ist momentan nicht weiter wichtig«, wich er aus. »Wenn die Fremden Evelyn haben, holen wir sie zurück.«
    »Bitte, Schwester«, bat Genevieve Gaia. »Hat Evelyn nichts weiter gesagt? Irgendetwas? Sie ist nie zu mir gekommen. Hast du irgendeine Ahnung, weshalb sie nach draußen hätte gehen sollen?«
    Gaia warf einen Blick zu Emily, die sich schweigend im Hintergrund hielt. »Wahrscheinlich wollte sie ihren Bruder sehen.«
    Genevieve erstarrte. »Leon ist zurück?«, murmelte sie. Und dann zornig: »Wie lange weißt du schon davon?«
    »Seit gestern«, sagte der Protektor. »Einer ihrer Kundschafter war so freundlich, es uns zu sagen.«
    Gaia konnte die Spannung zwischen ihm und seiner Frau förmlich spüren; sie war wie ein lebendiges Wesen, eine Schlange, die sich zwischen ihnen wand. Genevieve schüttelte unmerklich den Kopf, und der Protektor strich sein Jackett zurück und stemmte eine Faust in die Hüfte.
    »Das hier solltet Ihr Euch ansehen«, brach Bruder Iris das Schweigen, den Blick auf den Schirm gerichtet.
    Der Protektor trat näher und bedeutete Gaia dann, es ihm gleichzutun. »Komm hier rüber.«
    Auf der glatten Oberfläche des Tisches zeigten zahllose rechteckige Fenster die Sichtfelder verschiedener Überwachungskameras. Bruder Iris vergrößerte ein gutes Dutzend davon mit den Fingerspitzen: den Platz vor dem Tvaltar, die Straßen zum Südtor, die Pfade zu den sechs Wasser hähnen, die Felder, die Küstenansicht des Trockensees und verschiedene Schlüsselstraßen. Wharfton wurde sehr viel gründlicher überwacht, als Gaia bisher bewusst gewesen war.
    Eines der Rechtecke wurde gerade schwarz – und da erst fiel Gaia auf, dass vier weitere bereits dunkel waren. Dann fielen zwei Kameras beinahe gleichzeitig aus.
    »Bruder Iris«, sagte die Stimme aus dem Lautsprecher. »Seht Ihr das auch?«
    Bruder Iris blätterte durch die Ansichten der Mauer, bis er die Wache vor sich sah, dahinter das Südtor.
    »Allerdings«, sagte er.
    »Sie schießen mit ihren Bogen die Kameras kaputt. Nicht schlecht, ihre Schützen.«
    Der Protektor nickte Bruder Iris wortlos zu.
    »Schaltet sie aus«, sagte Iris.
    Es kam Bewegung in die Bilder, als mehrere Soldaten auf der Mauer anlegten.
    »Nein«, rief Gaia. »Ihr könnt sie nicht töten! Sie haben niemanden verletzt.«
    »Die Sicherheit der Enklave ist nicht verhandelbar«, sagte der Protektor. »Pflückt euch die Schützen raus.«
    »Jawohl, mein Protektor«, sagte die Wache und trat aus dem Bild.
    »Nein!«, rief Gaia.
    Schnell überflog sie die anderen Fenster. Sie erwartete, jede Sekunde Schüsse zu hören, und die angespannte Stille zog sich eine Ewigkeit hin. Doch ein Fenster erlosch, ohne dass geschossen worden wäre, dann nacheinander drei weitere. Sie lachte fast vor Erleichterung – ihre Schützen verstanden es, sich nicht zu zeigen. Trotz der hektischen Betriebsamkeit auf der Mauer, wo die Wachen versuchten, ein klares Ziel zu bekommen, wurde eine Kamera nach der nächsten ausgeschaltet, bis in ganz Wharfton noch drei, dann zwei, und schließlich nur eine einzige Kamera übrig blieb.
    Dieses letzte Bild war eins, das sie schon zuvor gesehen hatte: ein staubiger Küstenabschnitt, direkt unterhalb des Südtors. Genau dort hatte Bruder Iris einmal einen Raben erschießen lassen, einfach nur, um Gaia seine Macht zu demonstrieren. Nun traten dort ein Mann und eine Frau vor die Kamera.
    »Nicht schießen«, sagte der Protektor und vergrößerte das Bild mit den Fingern, bis es den gesamten Schirm ausfüllte. »Sieh hier, Genevieve. Da hast du deinen kostbaren Jungen.«
    Leon und seine Stiefschwester Evelyn traten in die Mitte des Schirms. Leon zeigte Evelyn die Kamera. Ihm musste klar sein, dass er sich nun in Reichweite der Gewehre auf der Mauer befand; er ging ein großes Risiko ein.
    Gaia warf dem Protektor einen schnellen Blick zu. »Ihr werdet ihn auf keinen Fall erschießen.«
    »Ich werde mir zuerst anhören, was er zu sagen hat«, sagte er kalt.
    Auch Emily trat hinter Gaia und schaute ihr über die Schulter. Gaia hörte ihren leisen Atem und machte einen Schritt beiseite, damit sie einen besseren Blick hatte. An dem Tag, als der Rabe erschossen wurde, hatte Emily nur einen Meter von ihm entfernt gestanden, und Gaia war sich sicher, dass Emily sich noch daran erinnerte.
    In ihrem zarten weißen Kleid wirkte Evelyn so zart und zerbrechlich wie eine Gardenienblüte, während Leon immer noch der Schmutz der Reise anhaftete und er eine

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