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Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Der Weg der gefallenen Sterne: Roman

Titel: Der Weg der gefallenen Sterne: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caragh O'Brien , Oliver Plaschka
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zu spielen – doch sie hatte auch ein Ziel.
    Wenn Leon, Angie und Jack in die Enklave gelangen konnten, dann konnte sie das auch.
    Sie vermied den Marktplatz, wo noch immer Betrieb herrschte. Aus Pegs Taverne drang der ferne Klang des Klaviers. Sie lief durch die Straße des zweiten östlichen Sektors, in der Emily und Kyle gewohnt hatten, und dachte zurück an den Abend, ehe sie ins Ödland geflohen war. Dann ging sie weiter nach Osten, in Richtung der Felder. Das Getreide wirkte fremdartig und grau in dem blassen Licht des Mondes, der gerade hinter den Wolkenschleiern hervortrat.
    Sie war sich nicht sicher, ob sie verfolgt wurde, doch hinter ihr waren Leute auf der Straße, also beschleunigte sie ihre Schritte und eilte parallel zur Mauer die Flanke des großen Hügels entlang. Die Spiegelungen des Mondlichts auf den Bewässerungsgräben zauberten ein weitverzweigtes Netz auf die Felder, das zur Mauer hin langsam anstieg und seinen Ursprung vor einem großen Rohr hatte, das aus dem Hang herausragte.
    Hier in der Nähe hatte man Angie gesehen. Das hieß, sie musste jetzt nur noch einen Hinweis darauf finden, wie das Mädchen in die Enklave gelangt war.
    Der Hang wurde immer steiler, je näher sie dem Rohr kam. Gaia war sich nicht sicher, worauf sie gehofft hatte, aber selbst mit Hilfe einer Kerze fand sie keinen Einlass oder Spalt zum Klettern.
    Sie stützte sich auf das kühle Rohr und überlegte. Dann stieg sie wieder ein Stückchen nach unten, wo sich das Rohr in den Hauptwassergraben öffnete, duckte sich und spähte im Licht ihrer Kerze hinein. Das Innere des Rohrs war noch feucht; vor allem aber stellte sie fest, dass es eng war, kaum einen Meter im Durchmesser.
    Da können sie doch nicht ernsthaft reingegangen sein, dachte sie. Man hatte kaum genug Platz, um zu kriechen.
    Was aber, wenn doch?
    Gaias Herz begann hektisch zu klopfen. Jederzeit könnte Wasser durch dieses Rohr geleitet werden – dann wäre sie da drinnen gefangen. Und sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wohin genau es eigentlich führte. Sie wusste nicht einmal mit Sicherheit, dass Leon, Angie und Jack wirklich diesen Weg genommen hatten. Es schien unmöglich zu sein.
    Da fiel ihr Blick auf etwas neben ihrem Fuß, am Rand des Grabens. Sie bückte sich danach, doch noch bevor sich ihre Finger darum schlossen, wusste sie, was sie gefunden hatte: Angies Schutzbrille.
    Du weißt genau, dass du’s machen wirst, dachte sie. Dennoch stieß sie einen leisen Laut der Angst aus – nur weil sie es tun würde, hieß das noch lange nicht, dass sie keine Angst davor hatte.
    Da hörte sie ein Geräusch hinter sich und sah Malachai und drei weitere Männer, die sich rasch näherten. Er war klug genug, sie nicht zu rufen und dadurch die Wachen auf der Mauer zu alarmieren – doch er würde sie auch bestimmt nicht in das Rohr kriechen lassen, wenn er sie rechtzeitig erreichte. Zum Reden hatte sie jetzt aber keine Zeit mehr.
    Die Kerze weit von sich gestreckt kletterte Gaia in das Rohr. Einmal musste sie noch innehalten, um den Gurt ihrer Tasche zu richten, dann kroch sie tiefer in den aufwärts führenden Betonzylinder.
    »Komm zurück!«, hörte sie Malachais Stimme hinter sich. Dann ein Ächzen und Grunzen.
    »Ich komme bald wieder«, rief sie zurück. »Aber ich muss Leon finden! Chardo Will kann mich vertreten.«
    »Du wirst Leon nie finden! Mach keinen Fehler. Du könntest sterben da drin!«
    »Ich muss es versuchen.«
    Wieder hörte sie das Ächzen hinter sich.
    Sie fand ihren Rhythmus und kroch auf den Knien und ihrer freien Hand zügig weiter. Die Innenwand des Rohrs war hell und glatt und wurde nur gelegentlich von Nähten durchbrochen, die im Kerzenschein feucht schimmerten. Die Luft war dünn und unbewegt, sodass die Hitze und der Rauch der Kerze Gaia dicht umhüllten.
    Noch einmal hörte sie Geräusche hinter sich, dann verebbten sie. Meter für Meter kämpfte sich Gaia voran. Für Leon oder Jack musste es hier noch viel enger gewesen sein. Sie sollte sich beeilen. Je länger sie in dem Rohr war, desto größer war die Chance, vom Wasser überrascht zu werden – das wäre ihr sicherer Tod.
    Da hörte sie ein leises Geräusch vor sich und hielt an. Die Flamme ihrer Kerze brannte senkrecht und ruhig. Sie lauschte angestrengt, doch alles, was sie in der bedrückenden Stille hörte, war ihr eigener Atem. Dann wieder – irgendetwas tat sich da vorne. Sie kroch schneller, und dann hörte sie voller Angst das Gurgeln von Wasser. Ein Schwall kalter

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