Der Weg der gefallenen Sterne: Roman
übergeben.«
»Dafür war auch kaum die Zeit.«
»Es sollte mir aber schlecht gehen.«
»Ich finde nicht, dass du eine Wahl hattest – sie haben dich im Dunkeln angegriffen.«
Sie befeuchtete ihre trockenen Lippen. »Es gefällt mir trotzdem nicht.«
Seine blauen Augen waren ruhig auf ihre gerichtet. Sie wollte nicht hören, dass es nicht ihre Schuld war. Sie hatte hart trainiert, um sich verteidigen und notfalls auch töten zu können. Doch bislang hatte sie es nie so bewusst getan wie letzte Nacht.
Jetzt aber konnte sie das Geräusch nicht vergessen, mit dem Sephies Kopf auf den Boden geschlagen war, und ihr schauderte.
»Es ist sehr verstörend«, sagte sie.
»Ich weiß.« Leon fuhr ihr mit dem Finger den Arm hinab zu ihrem Bändchen. »Würdest du es denn wieder tun? Wenn die Umstände die gleichen wären?«
Sie nickte zögerlich. »Wahrscheinlich schon.«
Sie schaute ihm ins Gesicht: die geschwungenen Brauen, die gerade Nase, sein strenger Mund. Er erwiderte ihren Blick auf seine eindringliche Art, die bis in ihr Innerstes reichte und die Wahrheit darin zum Vorschein brachte.
»Das ist aber noch nicht alles, was dich belastet, oder?«, fragte er.
Sie nickte. »Der Protektor will, dass ich mir die Eierstöcke entnehmen lasse – für das Trägerinstitut. Im Gegenzug bietet er uns unsere eigene Wasserversorgung. Bruder Rhodeski würde das unterstützen.«
Leon setzte sich auf. »Wie war das bitte?«
Sie erklärte ihm, dass sie mit ihren Eizellen Babys zeugen wollten, die das Gen gegen Hämophilie in sich trugen, Dut zende Babys, und dass die Entnahme der Eierstöcke der erfolgversprechendste Weg dazu war. »Dein Vater hat ge droht, dich im Koma zu lassen, wenn ich nicht einwillige.«
»Das hast du aber hoffentlich nicht.«
»Nein.«
Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Hast du das denn ernsthaft in Erwägung gezogen?«
»Natürlich.« Sie lächelte. »Ich würde ohne zu zögern einen Teil von mir geben, um dein Leben zu retten – aber so funktioniert das nicht. Ich glaube deinem Vater kein Wort mehr.«
»Wir haben nie über Kinder geredet.«
»Eines Tages möchte ich welche. Du denn auch?«
»Auf jeden Fall. Eines Tages.«
Er kämpfte sich auf die Beine, immer noch barfuß, und hielt ihr die Hand hin. »Ich stelle fest, dass du mich auch noch nicht dafür angeschrien hast, dass ich in die Enklave gegangen bin.«
»Ich hätte dich am liebsten umgebracht.«
Er grinste. »Kann ich mir denken.«
Sie machten sich auf den Weg durch das unwirtliche Gelände, in Richtung New Sylum.
»Es ist so viel passiert seitdem«, sagte Gaia. »Was für Sprengsätze habt ihr denn noch deponiert? Ich denke mal, Pyrho hatte damit zu tun.«
»Und ob«, bestätigte Leon. »Genau wie Jack, aber ehrlich gesagt war er keine große Hilfe. Letzte Nacht müsste der Schornstein von Bruder Iris hochgegangen sein, und nachher wird noch ein Feuer im Weinberg ausbrechen.«
»Und wie viele Bomben sind es insgesamt?«
»Genug. Es wäre mir aber lieber, wenn du die Details nicht kennst. Pyrho und ich können sie alle entschärfen, sobald der Protektor New Sylum mit Wasser versorgt. Mehr wollten wir ja nie.«
»Die Bomben werden aber niemanden verletzen, oder? Wir reden hier doch nur vom Stromnetz und Dingen in der Art?«
Eine Weile lief er schweigend neben ihr her und suchte sich mit seinen bloßen Füßen einen Weg über den felsigen Boden, gab aber keine Antwort.
»Leon – das geht doch nicht. Wir werden jetzt nicht zu Mördern.«
»Wenn bei der letzten Bombe jemand zur falschen Zeit am falschen Ort ist, kann ich nicht garantieren, dass es keine Verletzten gibt. Soweit sollte es aber nicht kommen.«
»Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Es ist nur diese eine letzte Bombe, die vielleicht eine Gefahr für Menschen darstellt. Solange der Protektor mit uns verhandelt, bleibt genügend Zeit, sie zu entschärfen. Wenn er dich aber wieder verhaftet oder dir etwas zustößt, lasse ich sie hochgehen.«
»Das können wir nicht tun«, protestierte sie. »Wo ist diese Bombe? Wann wird sie explodieren?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte dir nicht davon erzählen sollen.«
Sie machte einen weiten Schritt von einem Felsen zum nächsten. »Ich fasse es nicht. Dein Vater hat dich als Lügner bezeichnet, und ich wollte ihm nicht glauben.«
Leon blieb verdutzt stehen. »Ach, mein Vater also? Außerdem ist das keine Lüge – bloß ein Geheimnis.«
Sie warf entnervt die Hände zum Himmel.
»Du hast selbst schon
Weitere Kostenlose Bücher