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Der Weg der Helden

Der Weg der Helden

Titel: Der Weg der Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David A. Gemmell
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zeugen?«
    Boru strich sich über seinen weißen Bart; er spürte den nagenden Schmerz der Arthritis in seinen Knochen. Shori war sieben Jahre alt. Er würde nicht lange genug leben, um sehen zu können, wie sie zu einer jungen Frau heranwuchs, wäre nicht dabei, wenn sie das Getreide in die Menge warf und den Schleier zurückschlug. Bitterkeit überkam ihn, aber er versuchte sie zu verdrängen.
    Er war zweiunddreißig Jahre alt gewesen, als die Avatar ihn damals nach der Revolte gefangen hatten. Mit zweihundert anderen war er in Ketten nach Pagaru verschleppt worden, der zweiten Stadt. Dort wurden sie vor Gericht gestellt. Boru war noch nie in einer Stadt gewesen, und die Größe der Gebäude hatte einen kurzen Augenblick lang die Angst um sein Leben überdeckt. Es gab breite, gepflasterte Straßen und Tempel mit Säulen. Den Marktplatz säumten Geschäfte und Tavernen, und in seiner Mitte stand ein prachtvoller Brunnen, aus dem sich eine Wasserfontäne zehn Meter in die Luft erhob. Boru kam aus der Wüste, wo Wasser eine Kostbarkeit war, und er blickte ehrfürchtig von dem Gefangenenkarren auf die rauschende Fontäne.
    Der Gerichtssaal war ebenfalls sehr beeindruckend. Zwei Avatar-Richter saßen auf einem mit Schnitzereien verzierten Podest und blickten auf die Gefangenen hinab, die in Zehnergruppen vor sie geführt wurden. Boru fand sich neben Fyal wieder, dem Bäckersohn. Sie waren seit ihrer Kindheit Freunde und hatten sich kurz angesehen. » Was werden sie mit uns machen?«, flüsterte Boru. Fyal zuckte mit den Schultern.
    Der Richter, ein schlanker Mann mit schulterlangem blauem Haar, beugte sich vor. Er trug einen Talar aus schimmerndem karmesinrotem Stoff, und auf seinem Kopf saß eine Schädelkappe aus Silber, in die Runen eingeritzt waren.
    » Ihr Männer«, sagte er gewichtig, » seid verschiedener Verbrechen gegen das Imperium angeklagt, nämlich«, er blickte auf eine Schriftrolle auf dem Tisch vor ihm, » der Teilnahme an einer unrechtmäßigen Versammlung, des Besitzes von Schwertern und anderer Waffen und des Angriffs auf ein Regierungsgebäude im Dorf Asep.« Der Blick seiner hellen Augen richtete sich auf die angeketteten Männer. » Einer von euch wird auf diese Anklagen antworten. Du da!« Sein knochiger Finger deutete auf Boru. » Du wirst für dich und deine Kameraden sprechen.«
    » Was soll ich Eurer Meinung nach sagen?«, erkundigte sich Boru. » Wir akzeptieren Eure Gesetze nicht. Ihr schickt Bewaffnete in unser Land, das uns von alters her gehört, und behauptet, es stünde jetzt unter Eurer Kontrolle. Wir haben uns widersetzt. Wir werden uns weiter widersetzen. Wir werden uns immer widersetzen. Wären wir sonst Männer?«
    » Das ist also deine Verteidigung?«, erkundigte sich der zweite Richter, ein kahlköpfiger Mann mit einem gegabelten blauen Bart. » Du behauptest, euer Recht wäre dem der Avatar überlegen? Wir haben euch Wissen und Gesetze gebracht. Wir haben euch die Mittel zur Verfügung gestellt, die es euch möglich machen, Hungersnöte zu vermeiden. Und Ihr zahlt uns diese Geschenke mit Brutalität und versuchtem Mord heim.«
    » Eure Geschenke waren nicht erwünscht«, erwiderte Boru. » Ihr habt sie uns aufgedrängt. Und wir haben niemanden ermordet. Das war auch niemals unsere Absicht. Der Avatar in unserem Dorf wurde gefangen und festgehalten… obwohl er drei unserer Kameraden getötet hat. Die Banis-baya waren immer ein Volk von Bauern. Wir waren nie Krieger oder Mörder. Wir sind freie Männer.«
    » Ihr seid nicht frei, kleiner Mann«, sagte der zweite Magistrat. » Ihr seid Diener der Avatar. Und ihr seid ungehorsame Diener. Ich finde deine Verteidigung überaus lückenhaft und wenig überzeugend. Deine Freunde werden ihr Leben verlieren. Du dagegen wirst als Sprecher der Verurteilten nicht sterben, wie es unseren Sitten entspricht. Deine Strafe beträgt dreißig Lebensjahre. Schafft sie weg.«
    Die Männer wurden aus dem Gerichtssaal in einen langen Gang geführt. Ein Avatar packte Boru am Arm und zerrte ihn durch eine Seitentür in einen langen, schmalen Raum mit Bänken. » Setz dich«, befahl ihm der Wächter. » Du wirst hier warten, bis dein Name aufgerufen wird. Dann komme ich dich holen.«
    Boru war von seiner Strafe wie betäubt und hatte sich nicht gewehrt. Im Laufe des Tages wurden zehn weitere Männer in den Raum gebracht und setzten sich neben ihn. Boru kannte sie alle sehr gut, aber keiner sagte etwas. Das Ausmaß des Leids, welches über die Banis-baya

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