Der Weg der Helden
sich jedoch nur kurz und zielte erneut. In dem Augenblick tauchte die Frau in der Menge auf der Straße unter, und er verlor sie aus den Augen.
Der Questor General fuhr zu Ro herum. » Ist Euch klar, was sie repräsentiert?«, fuhr er den Questor an und bemühte sich, die Wut aus seiner Stimme fernzuhalten.
» Allerdings. Eine Chance für uns, zu überleben!«, fauchte Ro. » Sie hat Recht, und das wisst Ihr genau. Die Almecs wollen keinen Frieden. Sie kommen, um zu erobern. Sie schicken doch keine dreißig Kriegsschiffe, um diplomatische Höflichkeiten auszutauschen!«
» Ich spreche nicht von den Almecs, Ro. Begreift Ihr denn nicht, was sie ist? Was sie wird?«
» Ich weiß nicht, wovon Ihr redet.«
» Sie ist kristallgebunden, Ro.«
Die Worte hingen schwer in der Luft. Ro blinzelte. » Das ist nicht möglich. Die Chancen dafür stehen bei…«
» Eins zu hundert Millionen«, unterbrach ihn Rael. » Das weiß ich selbst. Ihre Macht wird täglich wachsen, weil sie sie aus jedem Kristall in der Stadt zieht. Versteht Ihr mich jetzt?«
» Ihr könntet euch irren, Rael«, gab Ro zu bedenken.
» Ich bete darum, dass ich mich irre.«
Agenten wurden durch die ganze Stadt geschickt, die nach Sofarita suchen sollten, und Informanten wurde erzählt, dass jedem eine enorme Belohnung winkte, der ihren Aufenthaltsort verriet. Die Konzilsräte kehrten mit ihren bewaffneten Leibwachen, die sie vor Angriffen durch Pajisten schützen sollten, in ihre befestigten Häuser zurück. Rael und Ro blieben im Konzilsgebäude.
In der Nacht wütete ein heftiger Sturm in der Stadt, und Blitze leuchteten über der Mündung des Luan. Im Obergeschoss, in dem Raum über der Konzilskammer, klapperten die Fensterläden an den Fenstern, während Rael auf und ab marschierte. Ro hatte den Questor General noch nie so aufgewühlt erlebt.
» Ich habe einen Fehler gemacht«, meinte Rael schließlich. » Ich hoffe nur, dass er sich nicht als tödlich erweisen wird.« Ro sagte nichts. Er dachte an die dunkelhaarige Vagaren-Frau und versuchte ihre launischen Gefühle zu verstehen. Er teilte durchaus Raels Meinung, was die Notwendigkeit anbelangte, Furcht unter den unterworfenen Rassen zu säen, und hatte sogar den größten Teil seines Lebens die Vorzüge einer solchen Politik gepriesen. Aber diesmal… Alles, was er sah, war ihr leicht geneigter Kopf, wenn sie sprach, und die gelben Flecken in ihren Augen, die golden funkelten, wenn Licht darauf fiel.
» Wir sollten uns auf die Neuankömmlinge konzentrieren, die Almecs«, sagte er schließlich.
» Sie hatte Recht«, fuhr Rael fort. » Sie kommen nicht in friedlicher Absicht und werden uns ganz gewiss nicht wie Brüder behandeln. Wie kann es sein, dass wir so arrogant geworden sind, Ro?«
» Das liegt in der Natur der Herrschenden«, erwiderte der kleine Mann. » Wir schnippen mit dem Finger, und unsere Untergebenen eilen im Laufschritt herbei. Sie katzbuckeln, machen den Kratzfuß und verstärken dadurch unseren Glauben an unsere Überlegenheit. Es ist ein Spiel, das wir zusammen spielen, Avatar und Vagaren.«
» Geht es Euch gut, mein Freund?«, erkundigte sich Rael und setzte sich dem Questor gegenüber. » Das klingt so gar nicht nach Euch.«
Ro seufzte. » Ich habe heute sehr viel gelernt. Angesichts dessen erscheinen mir die letzten hundert Jahre fast wie eine Verschwendung von Lebenszeit. Ich kann einfach nicht glauben, was heute Abend geschehen ist. Eine junge Frau mit verblüffenden Talenten war bereit, uns zu helfen, und wir haben sie dafür zum Tode verurteilt. Und was noch schlimmer ist, hätte Niclin sie vor das Konzil gebracht, hätte ich ebenfalls für ihren Tod plädiert. Wie schrecklich armselig wir geworden sind.«
» Ich bedaure es ebenfalls, Ro«, gab Rael zu. » Aber wir müssen diesen Gedanken beiseiteschieben. Die goldenen Schiffe werden bei Tagesanbruch hier sein. Wir müssen Pläne schmieden und Befehle erteilen.«
Die beiden Männer diskutierten bis tief in die Nacht, dann ließ Rael seine vertrauenswürdigsten Offiziere kommen und schickte sie los, um ihre Truppen zu sammeln.
Als der Morgen graute, war der Sturm Richtung Inland weitergezogen, und das Meer war ruhig. Der Horizont war klar, und der Himmel strahlte in einem wundervollen Blau. Rael, Ro und alle anderen hohen Konzilsräte versammelten sich am Hafen und erwarteten die Ankunft der Almecs. Avatar-Soldaten sperrten das Gebiet ab, und es herrschte Schweigen auf der Mole, während die Herrscher der Stadt
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