Der Weg der Helden
zwischen den Wänden entstanden. Gucklöcher wurden eingebaut. Wenn jetzt die reichen Frauen und Männer kamen, um ihren Vergnügungen nachzugehen, konnte man sie beobachten und belauschen. Sie drängte ihre weiblichen und männlichen Gesellschafter, ihre Kunden dazu zu bringen, über sich zu reden. » Das entspannt sie«, behauptete Mejana. » Jeder liebt es, über sich selbst zu reden und darüber, was er so macht. Sie werden eure Gesellschaft umso mehr genießen und euch entsprechend besser bezahlen.«
Sobald das Haus neu eröffnet war, begann Mejana, in die verborgenen Gänge zu kriechen, lauschte und machte sich Notizen. So sammelte sie Informationen, Tag um Tag, Woche um Woche. Unendlich geduldig schrieb sie alles in einen großen Folianten. Zwei Jahre lang tat sie nichts anderes, als Informationen zu sammeln. Dann nahm sie Kontakt mit dem Botschafter der Erek-jhip-zhonad auf. Sein Name war Anwar, und er war ein vertrauter Ratgeber des alten Königs. Sie gab ihm Informationen über die Truppenbewegungen in der Nähe der Grenzen und hielt ihn auf dem Laufenden, was die Stärke der Regimenter betraf. Im Winter schloss sie ihr Haus und verbrachte die Zeit in Morak, der Hauptstadt der Erek-jhip-zhonad. Anwar lehrte sie viele Dinge, wie man chiffrierte und Codes erzeugte, und unterwies sie in der Kunst, Informationen zu beschaffen.
» Es ist sehr unwahrscheinlich«, sagte Anwar eines Tages zu ihr, » dass die Avatar in nächster Zukunft von einem Feind von außerhalb gestürzt werden. Die Samen der Vernichtung müssen in ihren Reihen gesät werden. Es gibt Hunderttausende Vagaren. Wenn sie sich erheben, kann nicht einmal die geballte Macht der Avatar sie aufhalten.«
Mejana kehrte mit einem neuen Auftrag nach Egaru zurück: Sie sollte eine Armee aus Freiheitskämpfern rekrutieren und ausbilden, die aus den Städten selbst stammten. Eine geheime Armee, die eines Tages die Kontrolle übernehmen würde. Allmählich baute sie im Laufe der folgenden zehn Jahre eine solche Streitmacht auf. Und jetzt hatten die Pajisten Sympathisanten überall in der Regierung platziert, sogar in der Armee der Vagaren.
Mejanas Arbeit war sehr gefährlich. Sie hielt sich meistens im Hintergrund und benutzte andere, um Informationen weiterzugeben oder Sympathisanten zu rekrutieren. In den letzten vier Jahren waren dreimal Agenten der Erek-jhip-zhonad verhaftet und zum Kristalltod verurteilt worden. Jeder von ihnen hätte sie verraten können. Keiner hatte es getan.
Als der alte König starb und sein Sohn Ammon ihm auf den Thron nachfolgte, hatte Mejana sich gefragt, ob sie wohl weiter unterstützt werden würde, und wenn ja, in welchem Maße. Anwar war zwar jetzt alt, aber immer noch sehr gerissen und listig und wurde deshalb zum Ersten Ratgeber befördert. Er erhöhte die Unterstützung für die Pajisten, deren Zahl daraufhin weiter wuchs.
Anfang dieses Jahres hatte Mejana einen gewagten Plan gebilligt. Es gab Attentate auf prominente Vagaren, die das Avatar-Regime stützten. Drei wurden getötet, und einer wurde gelähmt, als er versuchte zu fliehen und dabei von seinem Balkon stürzte. Seitdem war die Tätigkeit der Pajisten ein offenes Geheimnis. Wann immer sich die Leute trafen, redeten sie über diese Attentate und darüber, was sie bedeuteten. Dadurch konnten Mejana und ihre Agenten noch mehr Informationen sammeln und noch mehr Kämpfer gewinnen.
Der bedeutendste Durchbruch jedoch gelang ihnen, als Mejana die Entführung von Questor Baliel befahl. Der Jüngste des hohen Konzils der Avatar war Mejanas Informationen zufolge alles andere als mutig. Er hatte an privaten Orgien in ihrem Haus teilgenommen, und sie hatte ihn scharf beobachtet. Er wurde von fast jämmerlichem Ehrgeiz angetrieben und glaubte, dass sein Mangel an politischem Erfolg jenen zuzuschreiben war, die ihn um seinen Geist und seine Intelligenz beneideten. Wie die meisten dummen Leute hielt er sehr viel von sich, und wenn er es mit ihm überlegenen Männern zu tun bekam, bezeichnete er sie als » Intellektuelle« oder bescheinigte ihnen einen » Mangel an gesundem Menschenverstand«.
Vier Pajisten hatten ihn gepackt, als er das Haus verließ. Sie hatten ihm einen Getreidesack über den Kopf gestülpt, ihn bewusstlos geschlagen und in ein Lagerhaus in der Nähe des Hafens geschleppt. Hier hatte Mejana ihn aufgesucht. Der Avatar war in einem dunklen, fensterlosen Kellerraum eingesperrt. Als Mejana eintrat, hatte er sich ihr zu Füßen geworfen und sie angefleht,
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