Der Weg der Helden
lästig, Avatar«, erklärte der Mann mit dem gläsernen Gesicht. » Etwa so lästig wie ein Bienenstich. Morgen werde ich meinen Marsch auf deine Städte beginnen. Wir wissen viel über eure Verteidigungsstrategien und die Pläne eurer Anführer. Aber du wirst mir noch mehr erzählen.«
» Von mir wirst du nichts erfahren«, erklärte Talaban.
» Ganz im Gegenteil. Alles, was du jemals gewusst hast, wirst du meinem Diener enthüllen. Er hat eine ganz besondere Fähigkeit… wie du bald herausfinden wirst.« Er drehte sich zu dem Buckligen herum. » Saug ihn aus«, befahl er.
Der Bucklige schob den goldenen Stab in seinen Gürtel und trat neben den Gefangenen. Er packte mit den Händen Talabans Kopf und drückte seine Finger gegen dessen Schläfen. Feuer durchzuckte den Avatar. Es fühlte sich an, als würde eine Schlange durch sein Ohr in seinen Kopf eindringen und sich bis zu seinem Hirn durchfressen. Talaban sammelte sich, konzentrierte sich, begann das erste der Rituale, baute eine Verteidigung gegen die bohrende Schlange auf. Die Bewegungen in seinem Kopf wurden langsamer. Dann errichtete er eine geistige Mauer, die er aus Dunkelheit schuf. Die Reißzähne der Schlange zerfetzten sie wie verfaulte Seide. Talaban zog sich zurück, klammerte sich an seine Identität. Die Schlange griff weiter an. Talaban begann das zweite Ritual, dann das dritte. Mittlerweile war er vollkommen konzentriert und ließ die Schlange weiter angreifen.
Dann jedoch schlug er zurück, trieb seinen Geist wie einen Speer in die Schlange hinein. Sofort formten sich Bilder. Eine Kindheit, verbracht in Isolation und Furcht, ein Kind, herumgestoßen, verprügelt, verspottet. Verkauft von seinen Eltern an eine Gruppe von Bettlern, die seine Missbildung nutzten, um Geld zu verdienen. Sie zerkratzten seine Haut und schmierten Tierkot darauf, damit sich schreckliche Ausschläge bildeten, die das bucklige Kind noch grotesker erscheinen ließen und folglich wertvoller machten.
Die Schlange versuchte zurückzuweichen, aber jetzt hatte Talaban sie fest im Griff.
Er sah die Kindheit des Buckligen, sein Heranwachsen und seine Ausbildung durch Cas-Coatl. Gespeist von Kristallen hatte er das verblüffende Talent entwickelt, die Gedanken anderer lesen zu können. Plötzlich hatte der Bucklige Macht, und die setzte er jetzt auch seit mehr als dreihundert Jahren gnadenlos ein.
Talaban sah all das und durchlebte in den Gedanken des Mannes erneut die magische Flucht der Almecs von ihrer eigenen, dem Untergang geweihten Welt, und er sah auch die Magie, die sie benutzt hatten, um die Flucht zu bewerkstelligen.
Almeia, ihre glorreiche Göttin, die Kristallkönigin.
Und dann sah er in einem plötzlichen, gleißenden Blitz auch den Grund, weswegen Almeia so viele Tote benötigte.
Die Schlange kämpfte, wehrte sich mit aller Macht, versuchte verzweifelt, sich loszureißen.
Dein Leben war traurig, sagte ihm Talaban in seinen Gedanken. Du wurdest in deiner Jugend missbraucht und verletzt, als Erwachsener hast du andere missbraucht und verletzt. Ich bemitleide dich.
Die Schlange hörte auf, sich zu wehren. Ich bin, wozu die Menschen mich gemacht haben, erwiderte der Bucklige.
Möge dein nächstes Leben ein glückliches sein, erwiderte Talaban.
Er rezitierte das vierte Ritual und trennte der Schlange den Kopf ab.
Der Bucklige stürzte tot zu Boden. Talaban schwankte, hielt sich jedoch auf den Knien.
Cas-Coatl kniete sich neben seinen toten Sklaven. » Wie hast du ihn getötet?«, erkundigte er sich beiläufig.
Talaban sah hoch. » Genau so, wie du es getan hättest, Cas-Coatl«, sagte er.
» Ah, verstehe. Ihr Avatar seit meinem Volk wahrhaftig ähnlich. Bedauerlicherweise bedeutet das für dich, dass ich auf die Folter zurückgreifen muss.« Er drehte sich zu den beiden Wachen herum. » Schließt ihn ein und lasst Lan-Roas kommen. Und sagt ihm, er soll all seine… Werkzeuge mitbringen.«
Die Wachen packten Talaban unter die Arme und hoben ihn hoch. » Die Folter wird dir nichts nützen, Almec«, meinte der Avatar.
» Ich vermute, da hast du Recht«, stimmte ihm Cas-Coatl zu. » Bedauerlicherweise werden wir das selbst herausfinden müssen. Lan-Roas ist sehr geschickt. Er beginnt damit, dir das rechte Auge auszubrennen, und schneidet dir dann die Finger von deiner rechten Hand ab. Dann folgt die Hand selbst. Und das, mein Freund, ist erst der Anfang. Du wirst verblüfft sein, welches Maß an Schmerzen er seinen Opfern zufügen kann.«
Talaban
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