Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
angegriffen.«
»Vor zwei Nächten schienet Ihr Euch aber durchaus noch Sorgen um Eure Sicherheit zu machen.«
Elhokar seufzte hörbar. »Wie oft muss ich dir das noch erklären, Onkel? Ich kann feindlichen Soldaten mit der Waffe in der Hand durchaus offen gegenübertreten. Du solltest mich hingegen vor dem schützen, was sie zu uns schicken könnten, wenn es still und dunkel ist.«
Darauf gab Dalinar keine Antwort. Elhokars Nervosität – vielmehr sein Verfolgungswahn – war sehr stark; er befürchtete einen heimtückischen Anschlag auf sein Leben. Aber wer konnte ihm das verübeln, wenn man bedachte, was mit seinem Vater geschehen war?
Es tut mir leid, Bruder, dachte er – wie immer, wenn er sich an die Nacht erinnerte, in der Gavilar gestorben war. Allein und ohne den Schutz seines Bruders Dalinar.
»Ich habe mich mit der Angelegenheit beschäftigt, wie Ihr es mir aufgetragen habt«, sagte Dalinar und zwang sich, die schlimmen Erinnerungen beiseitezuschieben.
»Ja? Und was hast du herausgefunden?«
»Nicht viel, fürchte ich. Es gab keine Spuren von Eindringlingen auf Eurem Balkon, und keiner der Diener hat einen Fremden in der Gegend gesehen.«
»Aber ich bin in der Dunkelheit beobachtet worden.«
»Wenn dem so ist, dann sind sie nicht zurückgekehrt, Euer Majestät. Und sie haben keine Spuren hinterlassen.«
Elhokar schien unzufrieden zu sein, und das Schweigen zwischen ihnen wirkte allmählich angespannt. Unten traf sich Adolin mit den Spähern und bereitete die Truppe auf die Überquerung
des ersten Abgrunds vor. Elhokar hatte sich darüber beschwert, dass Dalinar so viele Männer mitgenommen hatte. Die meisten wurden auf der Jagd nicht benötigt. Nicht die Soldaten, sondern die Splitterträger würden das Untier erlegen. Doch Dalinar wollte sicherstellen, dass sein Neffe den bestmöglichen Schutz erhielt. In den Jahren des Kampfes waren die Überfälle der Parschendi weniger kühn geworden – die Alethi-Schreiberinnen schätzten, dass ihre Anzahl nur noch drei Viertel der ursprünglichen Stärke maß. Aber die Gegenwart des Königs könnte sie trotzdem noch einmal zu einem gewagten Angriff reizen.
Der Wind fuhr über Dalinar hinweg und brachte die schwache Vertrautheit mit, die er schon vor wenigen Minuten verspürt hatte: das Gefühl, auf einem Aussichtspunkt zu stehen und auf die Ödnis hinunterzuschauen. Das Gefühl eines beeindruckenden und erstaunlichen Ausblicks.
Das ist es, dachte er. Ich habe wirklich schon einmal auf einer solchen Felsformation gestanden, und zwar während …
Während einer seiner Visionen. Während der allerersten sogar.
Du musst sie vereinigen , hatten ihm die laut widerhallenden, seltsamen Worte gesagt. Du musst dich vorbereiten. Errichte deinem Volk eine Festung aus Stärke und Frieden – und eine Mauer, die dem Winde trotzt. Beende jeden Streit und vereinige sie. Der Ewigsturm kommt.
»Euer Majestät«, hörte Dalinar sich sagen. »Ich …« Er verstummte genauso schnell, wie er begonnen hatte. Was konnte er sagen? Dass er Visionen hatte? Dass er trotz aller Glaubenslehren und im Widerspruch zum gesunden Menschenverstand der Meinung war, diese Visionen vom Allmächtigen zu erhalten? Dass er glaubte, sie sollten sich sofort vom Schlachtfeld zurückziehen und unbedingt nach Alethkar zurückgehen?
Reine Dummheit.
»Onkel?«, fragte der König. »Was willst du?«
»Nichts. Kommt, wir gehen zu den anderen.«
Adolin wickelte sich einen der schweinsledernen Zügel um den Finger, während er auf seinem Pferd saß und auf die Berichte der nächsten Späher wartete. Es war ihm gelungen, nicht mehr an seinen Vater und an Sadeas zu denken. Stattdessen überlegte er, wie er sein Zerwürfnis mit Rilla so erklären konnte, dass ihm Janala ein wenig Mitgefühl entgegenbrachte.
Janala liebte alte Balladen. Brachte er es vielleicht fertig, den Streit in dramatische Verse zu kleiden? Er lächelte, als er an ihr üppiges schwarzes Haar und ihr verschlagenes Lächeln dachte. Es war sehr gewagt von ihr gewesen, ihn zu reizen, da sie doch genau gewusst hatte, dass er einer anderen Frau den Hof machte. Das konnte er nutzen. Vielleicht hatte Renarin ja Recht, und er hätte sie auf diese Jagd einladen sollen. Die Aussicht auf einen Kampf mit einem Großschalentier wäre für ihn wesentlich erregender gewesen, wenn ihn eine wunderschöne langhaarige Frau dabei beobachtet hätte …
»Neue Späherberichte, Hellherr Adolin«, sagte Tarilar, der gerade herbeigelaufen kam.
Adolin
Weitere Kostenlose Bücher