Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
sich offensichtlich, endlich aus dem Lederladen herauszukommen. Hier herrschte ein schwacher Gestank, der allerdings bei weitem nicht so schlimm war wie der in einer Gerberei. Adolin hatte gesehen, wie sie mehrfach nach ihrem Taschentuch gegriffen und so getan hatte, als wollte sie es sich vor die Nase halten.
Sie traten ins Sonnenlicht hinaus. Tibon und Marks – zwei helläugige Mitglieder der Kobaltgarde – warteten draußen mit Janalas Magd Falksi, einem jungen Azisch-Dunkelauge.
Die drei gingen hinter Adolin und Janala her, als diese die Straße des Kriegslagers entlangpromenierten. Falski murmelte mit breitem Akzent, dass ihrer Herrin eigentlich eine Sänfte zustehe.
Janala schien aber keine zu vermissen. Sie atmete tief ein und klammerte sich an Adolins Arm. Sie war zwar recht hübsch, redete aber auch ganz gern über sich selbst. Gesprächigkeit schätzte er bei Frauen zwar sehr, aber heute hatte er Schwierigkeiten damit, ihr zuzuhören, als sie ihm den neuesten Hofklatsch berichtete.
Der Riemen war zerschnitten worden, doch die Lederwerker hatten vermutet, dass es ein Unglücksfall war. Dies deutete daraufhin, dass sie solche Schäden schon früher gesehen hatten. Eine lose Schnalle oder irgendetwas anderes, das in das Leder eingeschnitten hatte.
Aber dieser Schnitt hatte den König mitten im Kampf aus dem Sattel geworfen. Steckte etwa doch mehr dahinter?
»… meinst du nicht auch, Adolin?«, fragte Janala.
»Unbedingt«, sagte er, hörte aber nur mit halbem Ohr zu.
»Du wirst also mit ihm sprechen?«
»Hm?«
»Mit deinem Vater. Du wirst ihn bitten, dass seine Männer hin und wieder ihre schrecklich unmodische Uniform ausziehen dürfen?«
»Er mag diese Uniform ziemlich gern«, sagte Adolin. »Außerdem ist sie gar nicht so unmodisch.«
Janala sah ihn verständnislos an.
»Also gut«, gab er zu, »sie mag schon ein bisschen schäbig sein.« Wie jeder andere hochrangige Offizier in Dalinars Armee trug Adolin einfache blaue Kleidung mit militärischem Schnitt. Sie bestand aus einem langen Mantel aus sattem Blau ohne jede Stickerei und mit einer steifen Hose. Aber gegenwärtig waren Westen, Seidenstoffe und Schals in Mode. Das Kholin-Glyphenpaar seines Vaters war ziemlich unauffällig auf Rücken und Brust genäht. Dazu kamen zwei Reihen aus silbernen Knöpfen. Das Ganze wirkte einfach, gut erkennbar, aber sehr schmucklos.
»Die Männer deines Vaters lieben ihn, Adolin«, sagte Janala. »Aber seine Anforderungen werden immer strenger.«
»Ich weiß. Vertraue mir. Allerdings glaube ich nicht, dass ich seine Ansichten ändern kann.« Wie sollte er es ihr erklären? Trotz der sechs Kriegsjahre war Dalinar noch immer entschlossen, den Kodex zu befolgen. Und dieser Entschluss schien in der letzten Zeit sogar noch fester geworden zu sein.
Wenigstens verstand Adolin jetzt die Beweggründe seines Vaters etwas besser. Dalinars geliebter Bruder hatte eine letzte Bitte an ihn gerichtet: Befolge den Kodex. Zwar hatte sich diese Bitte auf eine bestimmte Situation bezogen, aber Adolins Vater war dafür bekannt, alles zu übertreiben.
Adolin wünschte sich, Dalinar würde seine Anforderungen nicht an alle Soldaten stellen. Die einzelnen Teile des Kodex waren kaum mehr als kleinere Unannehmlichkeiten. Er schrieb vor, dass die Soldaten in der Öffentlichkeit immer Uniform trugen, dass sie sich nie betranken und Duellen stets aus dem Weg gingen. Aber alles zusammengenommen war durchaus einengend.
Seine Antwort an Janala wurde durch eine Reihe von Hornsignalen abgeschnitten, die durch das Lager hallten. Adolin hob den Kopf, drehte sich um und blickte nach Osten zur Zerbrochenen Ebene. Er zählte die nächsten Töne. Ein Kokon war auf Plateau einhundertsiebenundvierzig entdeckt worden, also in unmittelbarer Nähe!
Er hielt den Atem an und wartete auf die dritte Folge der Signale, die Dalinars Armee in den Kampf riefen. Doch das würde nur geschehen, wenn sein Vater es anordnete.
Ein Teil von ihm wusste genau, dass diese Signale nicht kamen. Einhundertsiebenundvierzig lag so nahe an Sadeas’ Kriegslager, dass sich der andere Großprinz gewiss auf den Weg machte.
Na los, Vater, dachte Adolin. Wir können vor ihm dort sein!
Kein weiterer Hörnerschall ertönte.
Adolin sah Janala an. Sie hatte die Musik als ihre Berufung angenommen und schenkte dem Krieg nur wenig Aufmerksamkeit, obwohl ihr Vater einer von Dalinars Kavallerieoffizieren war. Aber ihre Miene verriet Adolin, dass sogar sie begriff, was das
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