Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
Freude an den neuen Erfahrungen gemildert.
Tozbek traf nun im Hafen einige Absprachen hinsichtlich seines Schiffes. Er war ein guter Mann. Sein Lob ihrer angeblichen Schönheit nahm sie als das, was es war: ein freundliches, aber stark übertriebenes Zeichen seiner Wertschätzung für sie. Sie war blasshäutig in einer Zeit, in der die Alethi-Bräune als Zeichen wahrer Schönheit angesehen wurde. Und obwohl sie hellblaue Augen hatte, zeigte sich ihre unreine Abstammung in ihrem kastanienroten Haar. Keine einzige Locke schien richtig schwarz zu sein. Ihre Sommersprossen waren verblasst, als sie erwachsen geworden war – den Herolden sei Dank –, aber einige waren noch immer sichtbar und bestäubten Wangen und Nase.
»Junge Dame«, sagte der Kapitän zu ihr, nachdem er sich mit seinen Männern besprochen hatte, »Ihre Hellheit Jasnah wird zweifellos beim Konklave sein.«
»Oh. Dort, wo das Palanaeum ist?«
»Ja, ja. Und der König lebt auch an diesem Ort. Das ist sozusagen der Mittelpunkt der Stadt. Allerdings liegt er oben auf dem Berg.« Er kratzte sich am Kinn. »Wie dem auch sei, Ihre Hellheit Jasnah Kholin ist die Schwester eines Königs, und deshalb wird sie nirgendwo anders sein. Nicht hier in Kharbranth. Yalb wird Euch den Weg dorthin zeigen. Eure Truhe werden wir später holen.«
»Vielen Dank, Kapitän«, sagte sie. »Schaylor mkabat nour.« Die Winde haben uns sicher hierhergebracht. Das war eine thaylenische Dankesfloskel.
Der Kapitän grinste breit. »Mkai bade fortenthis!«
Sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Sie konnte Thaylenisch zwar recht gut lesen, aber es war doch noch einmal
etwas anderes, wenn sie es ausgesprochen hörte. Sie erwiderte sein Grinsen, was die richtige Reaktion zu sein schien, denn er lachte und deutete auf einen der Matrosen.
»Wir warten zwei Tage an diesem Kai«, teilte er ihr mit. »Morgen wird ein Großsturm aufziehen, und deshalb können wir nicht ablegen. Falls die Begegnung mit Ihrer Hellheit Jasnah nicht wie gewünscht ablaufen sollte, können wir Euch nach Jah Keved zurückbringen.«
»Auch dafür vielen Dank.«
»Nicht der Rede wert, junge Dame«, sagte er. »Das ist nichts, was wir nicht ohnehin tun würden. Wir können hier Ladung aufnehmen. Außerdem habt Ihr mir für die Überlassung meiner Kabine ein sehr schönes Bild von meiner Frau gezeichnet. Wirklich besonders schön.«
Er schlenderte zu Yalb hinüber und gab ihm einige Anweisungen. Schallan wartete und steckte ihren Skizzenblock wieder in die Ledermappe. Yalb. Für ihre Veden-Zunge war dieser Name schwer auszusprechen. Warum liebten es die Tahylener so sehr, Buchstaben einfach zusammenzupressen, ohne richtige Vokale dazwischenzuschieben?
Yalb winkte ihr zu, sie folgte ihm.
»Seid vorsichtig, Mädchen«, warnte sie der Kapitän, als sie an ihm vorbeiging. »Selbst eine so sichere Stadt wie Kharbranth birgt Gefahren. Verliert bloß nicht den Kopf.«
»Ich glaube, ich lasse ihn lieber auf meinen Schultern«, erwiderte sie und trat vorsichtig auf die Planke. »Wenn ich ihn verlieren sollte, bedeutet das, dass mir jemand mit einem Schwert zu nahe gekommen ist.«
Der Kapitän lachte und winkte ihr zum Abschied, während sie die Planke hinunterging und sich mit der freien Hand an der Reling festhielt. Wie alle Vorin-Frauen hielt sie die rechte Hand – ihre Schutzhand – immer bedeckt und entblößte nur die Freihand. Gewöhnliche dunkeläugige Frauen trugen nur einen Handschuh, aber von einer Frau ihres Ranges wurde erwartet,
dass sie mehr Anstand zeigte. So hielt sie ihre Schutzhand vom übergroßen Aufschlag des linken Ärmels bedeckt, der eng geknöpft war.
Das Kleid war von üblichem Vorin-Schnitt und betonte Busen, Schultern und Hüfte, während es unten in einem fließenden Rock auslief. Es bestand aus blauer Seide mit Knöpfen aus Chullschalen an den Seiten. Dann sie trug ihre Umhängetasche, indem sie diese mit der Schutzhand gegen die Brust drückte, während sie sich mit der Freihand an der Reling festhielt.
Sie trat von der Planke weg und tauchte in die wilde Geschäftigkeit des Hafens ein. Boten liefen hierhin und dorthin, Frauen in roten Kleidern zeichneten Warenlieferungen in großen Kontenbüchern ab. Kharbranth war ein Vorin-Königreich wie Alethkar und Schallans Heimat Jah Keved. Hier gab es keine Heiden, und das Schreiben war doch eine weibliche Kunst. Die Männer lernten nur Glyphen und überließen das Lesen und Schreiben ihren Frauen und Schwestern.
Sie hatte zwar nicht
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