Der Weg der Könige - Sanderson, B: Weg der Könige - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1
auf.
Syl ging die Wand hoch, setzte sich und sah Kaladin an. Ihr kleines Gesicht wirkte sehr ernst. »Du hast ihnen gesagt, dass du überleben wirst. Was passiert aber, wenn du es nicht schaffst?«
Kaladins Kopf klopfte im Einklang mit seinem Puls. »Meine Mutter wäre entsetzt, wenn sie wüsste, wie schnell ich von den anderen Soldaten das Spielen gelernt habe. Schon in der ersten Nacht in Amarams Armee habe ich um Kugeln gespielt. «
»Kaladin?«, fragte Syl verständnislos.
»Entschuldigung«, sagte er und drehte den Kopf von einer Seite zur anderen. »Was du gesagt hast, hat mich an jene Nacht erinnert. Beim Spielen gibt es einen besonderen Ausdruck, der Alles darauf lautet. Das sagst du, wenn du dein ganzes Geld bei einer einzigen Wette einsetzt.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich setze alles auf eine Karte«, flüsterte Kaladin. »Wenn ich sterbe, werden sie herauskommen, die Köpfe schütteln und sagen, sie hätten gewusst, dass genau dies passieren werde. Aber wenn ich überlebe, werden sie das nie vergessen. Und es wird ihnen Hoffnung geben. Vielleicht betrachten sie es sogar als ein Wunder.«
Syl war für eine Weile still. Dann sagte sie: »Willst du ein Wunder sein?«
»Nein«, flüsterte Kaladin. »Aber für sie werde ich eines bedeuten. «
Es war eine verzweifelte und närrische Hoffnung. Der östliche Horizont, bei dem für Kaladin Unten und Oben vertauscht waren, wurde immer dunkler. Aus dieser Perspektive war der Sturm wie der Schatten eines gewaltigen Untiers, das über den Boden stapfte. Er verspürte die beunruhigende Benommenheit von jemandem, der einen schweren Schlag gegen den Kopf abbekommen hatte. Es war wie bei einer Gehirnerschütterung. Er hatte Schwierigkeiten mit dem Denken, aber er wollte nicht bewusstlos werden. Er wollte dem Großsturm entgegensehen, auch wenn er Angst davor hatte. Er fühlte dieselbe Panik wie damals beim Blick in die schwarze Kluft, als er beinahe Selbstmord begangen hatte. Es war die Angst vor dem, was er nicht sehen konnte und was ihm unbekannt war.
Die Sturmwand zog heran; der Vorhang aus Regen und Wind war schon sichtbar. Es wirkte wie eine gewaltige Welle aus Wasser, Schlamm und Steinen, Hunderte Fuß hoch, und Tausende und Abertausende Windsprengsel schwirrten vor ihr her.
In der Schlacht hatte er sich mit seinem Speer in Sicherheit kämpfen können. Auch als er an die Kluft herangetreten war, hatte es noch eine Rückzugsmöglichkeit gegeben. Doch diesmal war es anders. Er konnte weder kämpfen noch dieser schwarzen Bestie aus dem Weg gehen – diesem Schatten, der den ganzen Horizont überspannte und die Welt in eine frühe Nacht
stürzte. Das östliche Ende des Kraters, in dem sich das Kriegslager befand, war verwittert und abgetragen, und die Baracke von Brücke Vier war die erste in der Reihe. Nichts lag zwischen ihm und der Ebene. Nichts lag zwischen ihm und dem Sturm.
Kaladin starrte die tobende, tosende und wirbelnde Welle aus windgepeitschtem Wasser und Schutt an und hatte den Eindruck, das Ende der Welt zu beobachten.
Er holte tief Luft und vergaß die Schmerzen in seinen Rippen. Jetzt hatte der Sturm den Holzlagerplatz überquert und rammte Kaladin mit voller Wucht.
35
EIN LICHT ZU SEHEN
»Obwohl viele wünschten, Urithiru möge in Alethi erbaut worden sein, war es offensichtlich, dass dies unmöglich war. Und so kam es, dass wir darum baten, es im Westen zu erbauen, an dem Ort, der Ehr am nächsten lag.«
Möglicherweise die älteste Quelle, in der die Stadt erwähnt wird. Zitiert nach Der Vavibrar , Zeile 1804. Ich würde es nicht mit Dämmerungssang übersetzen.
U nter der Macht der Sturmwand hätte er beinahe das Bewusstsein verloren, doch die plötzliche Kälte ließ ihn wieder hellwach werden.
Einen Augenblick lang spürte Kaladin nichts außer dieser Kälte. Durch die Wassermassen wurde er gegen die Wand der Baracke gedrückt. Steine und Zweige prallten gegen die Mauer, die sich neben ihm befand. Er war schon so benommen, dass er nicht mehr mitbekam, wie oft seine Haut getroffen und aufgeritzt wurde.
Er ertrug es, hatte die Augen zusammengekniffen und hielt die Luft an. Aber der nächste Windstoß kam von der Seite; die Luft wirbelte und peitschte nun von allen Seiten. Der Wind schleuderte ihn hin und her, sein Rücken kratzte über den
Stein. Der Wind fing sich wieder, blies nun erneut aus Osten und hob Kaladin in die Luft empor. Er schwebte in völliger Finsternis, seine Füße zerrten am Seil. In Panik erkannte er, dass
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