Der Weg des Feuers
Kämpfen erfordert Mut, nur der Feigling kneift. Noch feiger ist der, der sein Reich nicht verteidigt. Als Besiegte müsst ihr fliehen, und man sieht nur euren Rücken. Ihr habt euch wie Räuber ohne Gewissen und Tapferkeit aufgeführt. Macht nur so weiter, dann wird man euch eure Frauen rauben, euer Vieh und eure Ernte vernichten und eure Brunnen zerstören. Das Uräus-Feuer wird ganz Nubien verwüsten. Ich habe das Erbe meiner Vorfahren gemehrt und errichte hier meine neue Grenze. Wer sie achtet, ist mein Sohn, wer sie verletzt, wird als Unruhestifter hart bestraft.«
Die nubischen Stammesoberhäupter waren erleichtert, so glimpflich davongekommen zu sein, schworen Sesostris ewige Treue und errichteten ein Standbild von ihm an der Grenze. Im Inneren jeder Festung und außen an ihren Mauern erinnerten Stelen an die Worte des Pharaos und zeigten den König, wie er diese Gegend freundlich und friedlich machte.
»Dieser Pharao kann Pfeile verschießen, ohne dass er dafür seinen Bogen spannen muss«, flüsterte Sekari Iker ins Ohr.
»Seine Worte genügen, um den Feind einzuschüchtern, und er wird keinen einzigen Stockschlag brauchen, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Ist der König gerecht, ist alles gerecht.«
Die Sieger hatten keine Zeit, ihren großen Erfolg ausgiebig zu feiern, weil der Pharao den sofortigen Aufbau einer Verwaltung verlangte, die für allgemeines Wohlergehen sorgen sollte. Sehotep hatte die Länge des Nils bis zur Grenze berechnet und leitete die Arbeiten zur Bewässerung weitläufigen Ackerlandes. Schon bald sollte es hier keine Hungersnot mehr geben.
Sesostris hatte bei seiner Eroberung keine Spur der Verwüstung hinterlassen. Zu der Sicherheit, die von den Festungen ausging, gesellte sich die Entwicklung einer regionalen Wirtschaft, bei der jeder auf seine Rechnung kam. Der Pharao zeigte sich nicht als Besatzer, sondern als Beschützer. In Buhen, Semna und an vielen anderen Orten begann man, ihm zu huldigen und sein ka zu feiern, was noch viele Generationen andauern sollte. Bevor er gekommen war, hatten die Eingeborenen unter Gesetzlosigkeit gelitten und sich Gewaltherrschern unterwerfen müssen; dank Sesostris wurde Nubien zu einem verwöhnten und geschützten Gebiet. Zahlreiche Soldaten und Verwaltungsbeamte rechneten mit einem langen Aufenthalt vor Ort, um sich am Wiederaufbau zu beteiligen.
»Gibt es Neuigkeiten über den Propheten?«, wollte der König von Iker wissen.
»Nur Gerüchte. Verschiedene Stämme behaupten, ihn getötet zu haben, aber keiner konnte seinen Leichnam vorweisen.«
»Er lebt noch. Und wird auch trotz dieser Niederlage nicht aufgeben.«
»Ist ihm dieses Land hier nicht sehr feindlich gesonnen?«
»Doch, natürlich, die magische Grenze der Festungen lässt seine Reden für mehrere Generationen wirkungslos verhallen. Aber auch das Gift, das er verbreitet hat, wirkt noch sehr lange!«
»Einmal angenommen, er kann den Kuschiten, den Nubiern und unserer Armee entkommen – was wird er dann tun?«
»Noch bedrohen uns seine Helfershelfer aus dem Untergrund, sogar mitten in Ägypten, und der Baum des Lebens ist weiterhin in Gefahr. Dieser Krieg ist noch längst nicht zu Ende, Iker. Wir müssen wachsam und ausdauernd bleiben.«
»Kehren wir jetzt in die Hauptstadt zurück?«
»Erst machen wir einen Zwischenhalt in Abydos.«
Abydos, da lebte Isis!
»Deine Wunde scheint fast vollständig verheilt.«
»Guas Leistungen als Arzt sind erstaunlich.«
»Kümmere dich um die Vorbereitungen für den Aufbruch.«
Das Schutzgebiet wurde zu einem Hort des Friedens. Zwischen Ägypten und Nubien gab es keine Spannungen mehr. Hochzeiten wurden gefeiert, und Sehotep war nicht der Erste und Letzte, der den Reizen einer jungen schlanken Dorfbewohnerin mit einem wunderschönen Gesicht erlag. Ihre Schwester und Sekari waren ein unzertrennliches Paar.
»Wir müssen aufbrechen? Hier gefällt es mir aber!«, beklagte sich der.
»Überprüfe die Flotte gründlichst. Es könnte sein, dass uns der Prophet angreift. Und davor kann uns nur dein Spürsinn retten.«
»Du hast die wunderbaren Geschöpfe, die diese Gegend bevölkern, keines einzigen Blickes gewürdigt«, sagte Sekari vorwurfsvoll. »Bist du eigentlich wirklich aus Fleisch und Blut?«
»Ja, aber für mich gibt es nur eine einzige Frau.«
»Und was, wenn sie dich nicht liebt?«
»Es gibt nur sie und keine andere.«
»Wenn sie aber verheiratet ist?«
»Dann begnüge ich mich eben mit einigen Gedanken, die sie mir
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