Der Weg des Feuers
Wirklichkeit des Lichts?«
»Das Wort ›Re‹, himmlisches Licht, besteht aus zwei Hieroglyphen: dem Mund für das Wort und dem Arm für die Tat. Und Licht ist tätiges Wort. Das lichtbeseelende Ritual ist wirksam, deshalb erfüllt der Pharao die Tempel mit lichten Handlungen. Tag für Tag werden diese Riten hundertfach vollzogen, damit der Herr der Welt in seinem Haus Frieden findet. Die Ahnungslosen glauben, Gedanken hätten kein Gewicht, dabei spielen sie mit Raum und Zeit. Osiris drückt einen Gedanken aus, der so machtvoll ist, dass eine ganze Gesellschaft aus ihm entsteht, die nicht nur von dieser Welt ist. Das ist der Grund, weshalb wir Abydos retten müssen.«
Zu Füßen der Akazie lag das Gold aus Nubien. Die Krankheit des Lebensbaums hatte zwar nachgelassen, aber er war noch lange nicht gerettet.
Gemeinsam mit dem Kahlen feierte Sesostris das Ritual der Sistren, das die junge Isis vollzog. Dann begaben sich der König und die Priesterin zur Terrasse des Großen Gottes, auf der das ka der Diener von Osiris an seiner Unsterblichkeit Teil hatte.
»Du stehst jetzt am Eingang zum Weg des Feuers, Isis, von dem nur wenige zurückgekehrt sind. Bist du dir darüber im Klaren, welchen Gefahren du dich aussetzt?«
»Könnte es sein, dass ich mit diesem Schritt zur Heilung der Akazie beitrage, Majestät?«
»Wann hast du das begriffen?«
»Ganz allmählich und sehr verworren. Zunächst wollte ich es mir nicht eingestehen, weil ich mich für ein Opfer von Einbildung und Eitelkeit hielt. Wenn ich mit meinem Tun Abydos dienen kann, sollte ich mich dann nicht überaus glücklich schätzen?«
»Möge dich deine Hellsichtigkeit weiterhin leiten.«
»Noch immer fehlt das grüne Gold aus Punt. Bei der Erforschung der Archive konnte ich eine Entdeckung machen: Ich habe zwar nicht die genaue Lage des himmlischen Landes gefunden, aber ein Mittel, sie beim Fest für den Gott Min zu erfahren. Wenn die Person, die diesen Schlüssel besitzt, unter den Teilnehmern ist, muss man sie zum Reden bringen.«
»Willst du diese Aufgabe übernehmen, Isis?«
»Ich werde mein Bestes geben, Majestät.«
Bega saß auf den Stufen zu einer Kapelle und war mit seinen Nerven am Ende. Wagte sich sein Helfershelfer wirklich bis hierher? Konnte er der Aufmerksamkeit der Wachen entgehen?
Schritte näherten sich.
Jemand kam, um Opferbrot zu bringen.
Gergu legte das Brot vor eine Stele, auf der ein Paar abgebildet war, das in die Mysterien des Osiris eingeweiht wurde.
»Ich will mich nicht zeigen«, sagte Bega. »Was ist in Nubien geschehen?«
»Die nubischen Feinde wurden vernichtet, und der Prophet ist verschwunden.«
»Dann sind wir verloren!«
»Weder auf Medes noch auf mich ist irgendein Verdacht gefallen, und der Pharao war äußerst zufrieden mit unserer Arbeit. Außerdem gibt es keinerlei Beweise, dass der Prophet tot ist. Medes ist nach wie vor überzeugt, dass er wieder auftaucht. Solange es keine neuen Befehle gibt, sollen wir besonders vorsichtig bleiben. Hast du mir etwas Wichtiges mitzuteilen?«
»Der Pharao und die Priesterin Isis haben lange miteinander geredet. Sie leitet eine Abordnung, die am Fest für Min teilnehmen soll.«
»Das hat doch nichts zu bedeuten.«
»Da täuschst du dich! Isis hat ausgiebige Nachforschungen angestellt, und ich vermute, dass sie eine Spur entdeckt hat. Dank des Goldes aus Nubien geht es der Akazie besser. Glaubst du nicht auch, dass die Priesterin bei den Feierlichkeiten in Koptos etwas Entscheidendes zu finden hofft?«
Koptos, die Minenstadt, in der alle Arten von Mineralien gehandelt wurden, die aus der Wüste stammten… Diesen Hinweis würde Gergu sofort an Medes weitergeben. Sollte Isis bei dem Fest für den Gott Min in den Besitz einer anderen Art von Gold kommen?
Den versammelten Priestern und Priesterinnen von Abydos berichtete der König, dass er das befriedete Nubien zu einem Schutzgebiet gemacht hatte. Dennoch sollten alle Maßnahmen zur Sicherung von Osiris’ heiligem Reich aufrechterhalten bleiben, weil die Bedrohung durch den Widerstand nicht beendet war. Die bewaffneten Sicherheitskräfte sollten wie bisher alles strengstens überwachen, solange die Gefahr nicht gebannt war.
Auf Befehl des Pharaos war Iker an Bord des königlichen Schiffes geblieben und blickte wie gebannt auf dieses Abydos, das er zum ersten Mal so nah vor sich hatte und doch nicht betreten konnte! Wie gern hätte er das Reich des Herrn über die Auferstehung unter der Führung von Isis erkundet,
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