Der Weg des Feuers
berührte. Der Musikant grüßte den Stier mit dem glücklichen Herzen, der aus der Wüste gekommen war und dem König Smaragde, Türkise und Lapislazuli bringen sollte. Offenbarte sich Min nicht als auferstandener Osiris, der seine Reichtümer verteilte?
Auf das Hauptritual folgte nun der von allen besonders ungeduldig erwartete Teil des Festes: das Aufrichten von Mins Mast, den Akrobaten in Windeseile erkletterten, um die roten Schalen zu ergattern, die beim feierlichen Umbau der himmlischen Kapelle verwendet worden waren.
Viele junge Mädchen sahen den Waghalsigen gespannt zu. Isis nahm Iker beiseite.
»Der Mann, mit dem ich Verbindung aufnehmen will, ist tatsächlich hier.«
»Wer ist es denn?«
»Der Sänger mit der wunderschönen Stimme. In den alten Schriften trägt er den Namen ›Neger aus Punt‹. Er war mehrere Jahre lang verschwunden. Er ist der Einzige, von dem wir die wichtigen Hinweise bekommen können, die uns noch fehlen.«
Gergu hätte eigentlich viel lieber einige Krüge Starkbier geleert, entschloss sich dann aber doch, dem Paar zu folgen. Der Sänger hatte sich in den Schatten einer Palme gesetzt.
»Ich bin eine Priesterin aus Abydos«, stellte sich Isis vor,
»und das ist der Königliche Sohn Iker. Wir brauchen Eure Hilfe.«
»Was wollt Ihr wissen?«
»Wir wollen wissen, wo Punt liegt«, antwortete Iker. Der Sänger lachte gequält.
»Der Weg dorthin ist schon lange abgeschnitten! Um ihn wieder zu finden, bräuchte man einen Seefahrer, der auf der Insel des ka gewesen ist.«
»Ich habe mich dort einige Zeit aufgehalten«, sagte Iker. Der Künstler sprang auf.
»Lügner kann ich nicht ausstehen!«
»Ich lüge nicht.«
»Wen hast du denn auf dieser Insel getroffen?«
»Eine gewaltige Schlange. Es war ihr nicht gelungen, ihre Welt zu retten, aber sie hat mir gewünscht, dass es mir gelingen solle, meine Welt zu retten.«
»Dann sagst du also tatsächlich die Wahrheit!«
»Seid Ihr einverstanden, uns nach Punt zu führen?«
»Der Kapitän eines Schiffs, das nach Punt fahren will, muss im Besitz des ehrwürdigen Steins sein. Andernfalls geht das Schiff mit Sicherheit unter.«
»Und wo ist dieser Stein?«
»In den Goldminen des Wadi Hammamat, aber jeder Versuch, dorthin zu gelangen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.«
»Ich werde den Stein holen.«
Der Empfang in Memphis übertraf alle Erwartungen von Medes bei weitem. Sesostris war inzwischen ein sagenhafter Held, der erst den Norden und Süden Ägyptens wiedervereint und dann das syrische Palästina und Nubien befriedet hatte. Beim Volk war er jetzt genauso beliebt und angesehen wie die Pharaonen aus der Zeit der großen Pyramiden, man verfasste ihm zu Ehren Gedichte, und die Geschichtenerzähler wurden nicht müde, seine Heldentaten immer wieder neu auszuschmücken.
Der König war ernst wie immer, fast so, als fände er diese unbestreitbaren Siege lächerlich.
Kaum war Medes’ Gattin mit Hilfe der Beruhigungsmittel von Gua eingeschlummert, machte sich der Sekretär des Königlichen Rates auf den Weg zum Libanesen.
Vorsichtig sah er sich um, aber er konnte nichts Auffälliges entdecken.
Also ging er in gewohnter Weise vor.
Sein Gastgeber hatte stark zugenommen.
»Sind wir hier auch wirklich sicher?«, fragte Medes besorgt.
»Abgesehen von Sobeks kleinen Teilerfolgen haben wir keine ernsthaften Schwierigkeiten. Unser geheimes Netz arbeitet nach wie vor zu unserem Schutz. Eure lange Abwesenheit hat sich allerdings ziemlich nachteilig auf unsere Geschäfte ausgewirkt.«
»Der Pharao hat mich gewissermaßen als Geisel genommen, aber dank meines beispiellosen Verhaltens gelte ich nun als hochgeschätzter und unersetzlicher Würdenträger.«
»Umso besser für uns! Was ist denn nun wirklich in Nubien geschehen?«
»Sesostris hat die einheimischen Stämme besiegt, die Gegend befriedet und einen Wall uneinnehmbarer Festungen gebaut. Und die Nubier wollen nicht mehr über Ägypten herfallen.«
»Sehr ärgerlich. Was ist aus dem Propheten geworden?«
»Er ist verschwunden. Eigentlich hatte ich gehofft, er hätte Verbindung zu Euch aufgenommen.«
»Glaubt Ihr, dass er tot ist?«
»Nein, weil das Zeichen in Gergus Hand ihn verbrannt hat, als er diese Vermutung äußerte. Ich bin überzeugt, dass uns der Prophet schon sehr bald neue Anweisungen erteilen wird.«
»Richtig«, sagte eine sanfte, tiefe Stimme.
Medes fuhr zusammen.
Da stand er vor ihm, mit seinem Turban, dem Bart, dem langen Wollumhang und seinen
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