Der Weg des Feuers
die Tempel erforscht und die alten Schriften gelesen! Doch dem Pharao musste man gehorchen, und der hielt ihn noch nicht für würdig, diese Grenze zu überschreiten.
Am Ufer erschien die schöne Isis und lächelte ihm zu. Iker stürzte den Steg hinunter.
»Wollt Ihr vielleicht das Schiff besichtigen?«
»Ja bitte.«
Er ging voraus, drehte sich aber ständig nach ihr um. Folgte sie ihm auch wirklich?
Am Steuer blieben sie im Schatten eines Sonnenschirms stehen.
»Möchtet Ihr Euch setzen, etwas trinken oder…?«
»Nein, danke, Iker, ich will einfach nur den Nil betrachten, der uns Wohlstand schenkt und dich lebendig zurückgebracht hat.«
»Habt Ihr denn an mich gedacht?«
»Während Ihr gekämpft habt, musste auch ich harte Prüfungen überstehen. Der Gedanke an Euch hat mir dabei geholfen, und Euer Mut angesichts der drohenden Gefahr war mir ein Vorbild.«
Weil sie allen Blicken ausgesetzt waren, wagte er nicht, sie in den Arm zu nehmen. Und legte er nicht vielleicht auch ihre überraschenden Worte zu sehr zu seinen Gunsten aus?
Bestimmt hätte sie ihn empört zurückgestoßen.
»Der Pharao war stets unser Führer«, berichtigte er. »Keinem von uns, nicht einmal General Nesmontu, wäre es gelungen, ohne seine Anweisungen auch nur den geringsten Sieg zu erlangen. Ehe wir in Abydos eintrafen, hat mir der König von den vier Taten des Schöpfers erzählt. Da habe ich begriffen, dass er nie anders handeln würde. Nicht nur durch seine Kraft, sondern vor allem mit seinem Geist hat er dem Aufstand in Nubien ein Ende gesetzt, um dieses benachteiligte Land in eine glückliche Landschaft zu verwandeln. Die Festungen, die er bauen ließ, sind nicht nur Gebäude, sondern ein magischer Ring, der die schlechten Kräfte aus dem Hohen Süden abhalten kann. Den Propheten konnten wir allerdings leider nicht gefangen nehmen! Ihr wisst ja, Isis – seit wir uns zum ersten Mal begegnet sind, beschützt Ihr mich. Schon oft war ich dem Tod nahe, aber Ihr habt ihn wieder vertrieben.«
»Ihr schreibt mir zu viel Macht zu.«
»Nein, ganz bestimmt nicht! Und ich musste aus Nubien zurückkommen, um Euch zu sagen, wie sehr ich Euch liebe.«
»Es gibt so viele andere Frauen, Iker.«
»Ihr seid für mich die Einzige – heute, morgen, immer.«
Sie wandte sich ab, um ihm ihre Rührung nicht zu zeigen.
»Dem Baum des Lebens geht es inzwischen besser«, erzählte sie. »Aber noch fehlt das dritte heilende Gold.«
»Müssen wir zurück nach Nubien?«
»Nein, denn es handelt sich um das grüne Gold aus Punt.«
»Aus Punt… Ich habe nie geglaubt, dass es dieses Land nur in der Fantasie der Dichter gibt!«
»In den Archiven finden sich keinerlei Hinweise über die genaue Lage von Punt. Aber vielleicht können wir diese anlässlich des Festes für den Gott Min von einem möglichen Gewährsmann erhalten.«
»Ihr habt eben ›wir‹ gesagt… Wie meint Ihr das?«
»Der König hat uns beiden diesen Auftrag anvertraut. Falls die gesuchte Person an der Ritualfeier in Koptos teilnimmt, müssen wir sie dazu bringen, uns diesen unschätzbaren Fingerzeig zu geben.«
»Isis… Bin ich für Euch nicht mehr als nur Euer Freund und Verbündeter?«
Je länger sie für die Antwort brauchte, umso größer wurde seine Hoffnung. Hatte sich ihre Haltung nicht geändert, hatte sie nicht doch neue Gefühle für ihn?
»Ich schätze Euch«, gestand sie. »Als Ihr auf Eurer langen Reise wart, habt Ihr mir gefehlt.«
Iker wagte seinen Ohren nicht zu trauen. Wurde sein kühner Traum doch wahr, oder würde er gleich zerplatzen?
»Könnten wir dieses Gespräch vielleicht bei einem gemeinsamen Abendessen fortsetzen?«
»Nein, Iker, leider nicht. Meine Pflichten lassen mir dazu keine Zeit. Außerdem ist das Fest für Min wahrscheinlich die letzte Gelegenheit, uns wiederzusehen.«
Iker schnürte es das Herz zu.
»Warum denn, Isis?«
»Die Einweihung in die Mysterien des Osiris ist sehr gefährlich. Da ich zum Stillschweigen verpflichtet bin, darf ich Euch dazu nichts sagen. Ich kann Euch aber wenigstens anvertrauen, dass ich beschlossen habe, bis ans Ende dieser Suche zu gehen. Viele sind von dem Weg, der mir bevorsteht, nicht wieder zurückgekommen.«
»Müsst Ihr denn wirklich so große Gefahren auf Euch nehmen?«
Sie blickte ihn mit einem entwaffnenden Lächeln an.
»Habe ich denn eine andere Wahl? Ihr und ich, wir leben beide für das Fortbestehen von Maat und die Rettung des Lebensbaums. Vor diesem Schicksal zu fliehen, wäre ebenso feige
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