Der Weg des Unsterblichen
Auch ich spürte, wie die Erschöpfung langsam an mir zehrte. Wir brauchten einen verdammt guten Plan, der sich glücklicherweise schon so langsam in meinem Kopf formte, und außerdem brauchte ich dringend eine Pause.
Noch einmal blickte ich in alle Richtungen, um sicher zu gehen, dass uns niemand folgte. Dann erst öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer und schlüpfte hindurch.
Azriels Blick blieb kurz an dem von Millionen Sternen behangenen Himmel hängen, den man durch mein Fenster betrachten konnte, danndrehte er sich um und sah mich misstrauisch und verärgert an. »Was machen wir denn bitte hier ? Wir haben jetzt keine Zeit, deine Barbiepuppen zu zählen, wir müssen Noé befreien und zwar so schnell wie möglich!«
»Ja, ich weiß Azriel.«, brummte ich verstimmt. Natürlich vertraute er mir noch immer nicht zu hundert Prozent, warum sollte er das auch? Er war ein Dämon und ich ein Unsterblicher, und in dieser Welt saß eindeutig ich am längeren Hebel. Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen und sah ihn an. »Aber wir dürfen jetzt nichts überstürzen, gerade nachts ist hier alles verdammt gut überwacht. Die nehmen uns sofort hoch, wenn wir jetzt über den Platz marschieren.«
»Ach, und du willst jetzt hier warten, bis die Sonne aufgeht und die ganzen Soldaten hier rumlaufen? Ja, klingt nach einem verdammt guten Plan.«
»Natürlich nicht. Außerdem geht hier niemals die Sonne auf.«, fauchte ich aufgebracht. »Ich habe die ganze Zeit über einen Plan nachgedacht. Jeden Morgen, etwa um vier Uhr, versammeltsich der Magistrat in der kleinen Halle, um die wichtigsten Themen zu besprechen, die im Moment anstehen. Heute dürfte das wohl die kleine Razzia sein, die sie in der Menschenwelt veranstaltet haben.«
Azriel verzog das Gesicht. »Um vier Uhr in der Früh? Ihr Typen seid echt krank.«
Ich ignorierte seinen Einwurf und begann, mit meinem Finger in der Luft zu zeichnen. »Neben der Akademie gibt es hier noch zwei Gebäude. Wenn man über den Hof geht, kommt man zum Haupthaus. Dort befinden sich eine Krankenstation, die Wohnungen der anderen Unsterblichen und im Kellergewölbe das Gefängnis. Wenn man dieses Gebäude komplett durchquert, kommt man wieder nach draußen. Und damit zum dritten Haus unseres Komplexes. Naja, es ist wohl eher eine kleine Festung. Sie ist über eine altmodische Steinbrücke zu erreichen und genau diese ist auch der einzige Halt, der sie über einem riesigen Abgrund stützt. Dieses Gebäude ist auf keinem anderen Weg, von keiner anderen Seite zu erreichen. Dort sitzt der Magistrat.«
Ich sah ihn wieder an, und er nickte verstehend. »Ok, wir machen also die Brücke kaputt.«
Auf seinem Gesicht breitete sich ein fieses Grinsen aus.
Entsetzt starrte ich Azriel an. »Das ist unmöglich!«, entfuhr es mir laut. »Außerdem habe ich auch nicht vor, meinem Vater oder den anderen Magistratsvorsitzenden irgendetwas anzutun.«
»Schon gut, schon gut. Du denkst noch zu wenig radikal für meinen Geschmack, aber sprich weiter.«
Ich schnaubte. »Wenn die Ratsmitglieder sich in der kleinen Halle versammeln, die in dem schwebenden Gebäude liegt, konzentrieren sich die Wachen mehr auf die Bewachung der Brücke und das Hauptgebäude ist weniger besetzt. Das wäre wohl der beste Moment, um zuzuschlagen.« Na, wenn das mal nicht radikal klang. »Die Versammlung geht immer etwa eine Stunde, so lange hätten wir also Zeit. Einige Soldaten werden wahrscheinlich trotzdem unseren Weg kreuzen…«
»Keine Sorge, um die kümmere ich mich dann schon.« An Azriels grimmigem Lächeln konnte ich genau ablesen, was er damit meinte und schüttelte wieder leicht den Kopf. »Wir werden, wenn alles nach meinem Plan läuft, niemanden töten müssen. Bedenke, dass ich der Sohn von Aniguel bin. Auch wenn das ansonsten wahrlich kein Grund ist, um stolz zu sein, vertrauen mir die Unsterblichen aufgrund dieser Tatsache. Wenn du es schaffst, dich solange bedeckt zu halten, bis wir unten im Keller sind, werden wir wahrscheinlich keine Probleme bekommen.«
Offensichtlich passte Azriel meine Lösung nicht so ganz, aber er nickte trotzdem. »Mann, was für ein Spielverderber du bist, Nero. Aber meinetwegen, versuchen wir es auf deine Art und Weise, wenn dir so viel daran liegt.«
»Gut. Ich weiß, dass du dich an verschiedenen Orten materialisieren kannst, aber das ist sicher keine so gute Idee hier. Wenn du Pech hast, tauchst du direkt vor einer Wache auf, und dann sind wir geliefert.«
»Das
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