Der Weg in die Dunkelheit 1: Die Erwählte (German Edition)
ältesten und größten in der Stadt, war peinlich genau so angelegt worden, dass er wie eine hügelige englische Landschaft wirkte. Beschirmt von einem Ring alter Eichen, durchsetzt mit Hecken und Anhöhen, wirkte er unglaublich grün und frisch. Veritys Grab lag in der Nähe eines kleinen Teichs. Das Wasser war still und spiegelglatt, und kein Wind kräuselte die Oberfläche. Wenn die Trauerfeier vorbei war und alle in ihr Leben zurückkehrten, würde dieser Ort lieblich und friedvoll sein.
Ich wollte hier alles niederbrennen.
Pater Armando kam zum Ende, aber ich musterte weiter die Vielzahl von Gesichtern, unsicher, wonach ich Ausschau hielt. Niemand wirkte verdächtig; es war nur ein Haufen von Leuten, die verwirrt vor Trauer waren. Einer nach dem anderen zogen sie am Sarg vorbei, legten weiße Rosen darauf und zögerten, sich Veritys Familie zu nähern.
Die Greys standen dicht zusammengedrängt, aber nach ein paar Minuten winkte Veritys Mutter mich heran und nahm meine Hand. » Mo, Süße. Danke, dass du hier bist.«
» Das ist selbstverständlich.« Ich bemühte mich, nicht zusammenzubrechen, als sie mich umarmte.
» Erinnerst du dich an meine Tante? Evangeline Marais, das hier ist Mo Fitzgerald.«
Evangeline nickte höflich und hakte Mrs. Grey ein. Veritys Mutter war innerhalb der letzten Woche so gealtert, dass sie eher wie Schwestern als wie Tante und Nichte wirkten. Evangeline war beherrscht und elegant, aber ihr schien die Hand zu zittern, als sie Mrs. Grey den Arm tätschelte, und ihre Haut war so bleich vor Trauer, dass sie wie Pergament wirkte. » Es ist schön, dich wiederzusehen, Mo. Ich wünschte, es würde unter angenehmeren Umständen geschehen.«
Ihre Stimme hatte nur den Anflug eines Südstaatenakzents, nicht so stark wie Lucs samtige, schleppende Sprechweise, aber sie erinnerte mich doch daran, dass sie vor einer Woche mit Verity in New Orleans gewesen war. Sicher wusste sie ein bisschen über das, was Verity vorgehabt hatte. Ich fragte mich, wie ich mich höflich bei ihr erkundigen könnte, ob sie je einem grünäugigen, schwarzhaarigen angeblichen Arzt mit dem Talent, Fragen aus dem Weg zu gehen, begegnet war, der vielleicht etwas mit ihrer toten Nichte gehabt hatte. Irgendwie schien es dafür nicht der rechte Augenblick zu sein.
Veritys vierzehnjährige Schwester, Constance, stand in der Nähe, die Arme um sich geschlungen.
» Ich denke immer wieder, dass sie ihr Flugzeug verpasst hat«, sagte sie zu ihrem Vater; das Elend sprach deutlich aus ihren Augen. Sie hatten das gleiche tiefe Dunkelblau wie die ihrer älteren Schwester und waren so rotgerändert und verquollen, dass mir erneut die Tränen kamen. » Das aus New Orleans, weißt du? Deshalb ist sie nicht hier. Ich denke immer wieder, dass sie nur ihr Flugzeug verpasst hat, dass ein Taxi sie absetzen wird und dass sie wieder nach Hause kommt. Und all das hier könnte ein Irrtum sein.«
Ihr Vater nickte und streichelte ihr das Haar. Er war zu gebrochen, um zu antworten.
» Wie geht es dir, Con?« Es war eine dumme Frage, dieselbe, die ich immer wieder von Erwachsenen zu hören bekam, aber sie sah so verloren aus, und so jung, obwohl sie nur ein paar Jahre jünger war als ich, dass die Worte mir einfach entschlüpften. » Brauchst du… irgendetwas?«
Ihre Lippen verzogen sich, als sie mich ansah. » Nicht von dir.«
Mr. Grey warf mir über ihren Kopf hinweg einen entschuldigenden Blick zu und legte ihr die Hand auf den Arm, um sie zu beruhigen.
Ich zog mich zurück, als sie sich wieder zu ihm umdrehte und er sie mit tränennassem Gesicht eng an sich gezogen hielt.
Vielleicht war es eine natürliche Reaktion, dass sie so wütend auf mich war. Ich hatte etwas überlebt, das ihre Schwester nicht überlebt hatte… wer konnte ihr da zum Vorwurf machen, dass sie sich betrogen fühlte? Sie war Verity und mir immer nachgelaufen, hatte uns nachgeahmt, uns hinterhergeschnüffelt… und uns ganz allgemein verrückt gemacht. Es war so gewesen, als hätte ich selbst eine kleine Schwester. Jetzt hatte ich auch sie verloren.
Ich kam mir wie ein Eindringling vor und trat zurück, um einen besseren Blick auf die Menge zu erhaschen. Meine Mutter und Onkel Billy unterhielten sich mit Leuten aus der Kirche. Meine Mutter schüttelte den Kopf und tupfte sich die Augen ab, während sie bei den Frauen stand, und mein Onkel hielt bei den Männern Hof; er wirkte ernst und entschlossen. Sie würden noch eine Weile beschäftigt sein. Ich schlüpfte
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